Tumor streut bereits bei einer Größe von 1 bis 6 Millimetern
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM
haben nun Erstaunliches herausgefunden: »Die Annahme, dass die gestreuten Zellen die
gleichen Eigenschaften aufweisen wie der Primärtumor, stimmt manchmal, aber bei weitem
nicht immer«, erklärt Prof. Christoph Klein, Leiter der ITEM-Projektgruppe »Personalisierte
Tumortherapie« in Regensburg. Der Wissenschaftler und sein Team konnten nachweisen, dass
die Streuung weitaus früher erfolgt als bislang angenommen. Im Fall von Brustkrebs
etwa wird ein Tumor in der Regel bei einer Größe von 1-2 Zentimetern diagnostiziert –
die Streuung beginnt jedoch schon bei einer Größe von 1-6 Millimetern. »In diesem
Krankheitsstadium ist der Primärtumor meist noch gar nicht entdeckt. Folglich kennt man
auch seine Eigenschaften zu diesem Zeitpunkt nicht«, so Klein. Untersuchungen am Tiermodell
bestätigen dies: Die gestreuten Zellen weisen andere Eigenschaften auf als ein Primärtumor,
der bereits tastbar ist. »Krebs ist ein Evolutionsprozess: Die Zellen verändern sich im
Laufe der Erkrankung«, bringt es Klein auf den Punkt.
Um eine zielgerichtete Behandlung zu gewährleisten, muss sich der Fokus bei der
Diagnose nach Ansicht des Forschers künftig stärker vom Primärtumor auf die gestreuten
Zellen verlagern. Die Regensburger Projektgruppe arbeitet an Verfahren, um solche Zellen
mit Hilfe von Markern zu detektieren und molekulargenetisch zu analysieren. In einer
kürzlich veröffentlichten Studie zu Melanomerkrankungen konnten die Forscher beispielsweise
zeigen, dass sich im Wächterlymphknoten bereits in einem frühen Stadium gestreute Zellen
finden lassen, die aufschlussreiche Informationen über die aktuellen Zelleigenschaften
liefern. Der Wächterlymphknoten ist der erste Lymphknoten im Abflussgebiet des Tumors
und muss von allen über die Lymphflüssigkeit gestreuten Tumorzellen passiert werden.
Darüber hinaus belegt die Studie einen engen Zusammenhang zwischen der Anzahl der
gestreuten Zellen im Wächterlymphknoten und dem Risiko, dass die Patienten an der
Krankheit sterben. Kombiniert man diese Informationen mit Eigenschaften des Primärtumors,
lässt sich die Prognose für den Patienten sehr gut abschätzen.
Für seine Erkenntnisse wurde Prof. Klein mit dem renommierten Deutschen Krebspreis
ausgezeichnet. Der Wissenschaftler möchte mit seiner Arbeit dazu beitragen, die Dynamik
von Krebserkrankungen besser zu verstehen und die Behandlung daran auszurichten.
»Unser Ziel ist es, für den einzelnen Patienten die richtigen Medikamente zu finden,
so dass erst gar keine tödlichen Metastasen heranwachsen«, so Klein. Bei manchen
Patienten wären dabei eventuell ganz andere Maßnahmen als die hochtoxische Chemotherapie
hilfreich: Denn auch Krebszellen unterliegen nach Erkenntnissen der Wissenschaftler
dem Darwinschen Gesetz »survival of the fittest«: Streuen sie in andere Körperregionen,
müssen sie dort mit einem anderen Selektionsdruck zurechtkommen als an ihrem Entstehungsort.
Die gute Nachricht: Die meisten Zellen schaffen das nicht – und können sich folglich
nie zur Metastase auswachsen.
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft
Mai 2014 |
Literaturreferate
Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs
Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs