Rund jede zweite Frau mit Ovarialkarzinom erhält bislang nicht die optimale
Behandlung. Das beginnt laut Prof. Jalid Sehouli (Berlin) schon mit der Operation. Diese ist aufwändig, da beim
Ovarialkarzinom meist zahlreiche kleine Tumore auf dem Peritoneum sitzen und der Eingriff vom
Operateur große Erfahrung verlangt. Doch auch bei der Chemotherapie gibt es nach wie vor Defizite
und die Therapie erfolgt häufig nicht so, wie es die Leitlinien vorgeben. "Doch wir wissen, dass
Frauen, die leitliniengerecht behandelt werden, eine deutlich bessere Prognose haben und eindeutig
länger leben", betonte Sehouli bei einem Pressegespräch in Berlin.
Als Standard gilt in der Erstlinientherapie eine platinhaltige Chemotherapie, wobei üblicherweise
mit Carboplatin und pegyliertem liposomalem Doxorubicin (PLD) behandelt wird. Der Tumor gilt
dabei als platinsensibel, wenn es frühestens zwölf Monate nach Abschluss der Therapie zu einem
Rezidiv kommt. Dann kann erneut eine platinhaltige Chemotherapie erfolgen. Tritt das Rezidiv
jedoch innerhalb der ersten sechs Monate schon auf, so ist nach Sehouli davon auszugehen, dass der
Tumor platinresistent ist.
Unsicherheiten bestehen nach seinen Worten bislang hinsichtlich der Behandlung von Frauen,
die innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach der platinhaltigen Chemotherapie ein Rezidiv
bekommen. "Für diesen intermediären Bereich hatten wir lange Zeit keine gute Lösung", erklärte
der Mediziner. Zunehmend wird dabei deutlich, dass die Prognose der Frauen maßgeblich davon
bestimmt wird, wie lange das platinfreie Intervall andauert. Die Zeitspanne kann dabei durch platinfreie
Therapieregime deutlich verlängert werden.
Als Therapieoption bietet sich nach Sehouli der Wirkstoff Trabectedin an, eine
ursprünglich in marinen Seescheiden entdeckte Substanz mit einem bislang
einzigartigen Wirkmechanismus. Damit ist keine Kreuzresistenz zum Platin zu
befürchten, im Gegenteil: "Wir setzen einen zweiten Hebel in der Bekämpfung des
Tumors an", so Sehouli. Denn Trabectedin bindet an die kleine Furche in der DNA,
was eine DNA-Reparatur unmöglich macht und eine Apoptose der Zelle nach sich zieht.
Der Wirkstoff verhindert außerdem die Aktivierung verschiedener durch
Transkription induzierbarer Gene und führt zum Anhalten des Zellzyklus in der
G2/M-Phase und zur Apoptose durch einen p53-unabhängigen Mechanismus.
Trabectedin wird in Kombination mit PLD gegeben, da präklinischen Daten zufolge
beide Wirkstoffe beim Ovarialkarzinom synergistisch wirken. Die gute klinische
Wirksamkeit von Trabectedin belegt unter anderem die Studie OVA-301, eine
offene, multizentrische randomisierte Phase III-Studie bei 663 Frauen mit einem
rezidivierten Eierstockkrebs. Sie wurden entweder mit Trabectedin in einer
Dosierung von 1,1 mg/m2 als dreistündige Infusion plus 30 mg/m2 PLD alle drei
Wochen behandelt oder nur mit 50 mg/m2 PLD alle vier Wochen. Die Studie
dokumentiert, dass sich die zusätzliche Gabe von Trabectedin eindeutig günstig auf
das Überleben der Frauen auswirkt und das Gesamtüberleben signifikant von
median 17,1 auf 23,0 Monate (p=0,0015) verbessert. "Dieser Überlebensvorteil bleibt
im weiteren Verlauf stabil erhalten", sagte der Mediziner.
Das platinfreie Intervall hat eine hohe prognostische Bedeutung
In der Studie wurde zudem gezeigt, so Sehouli, dass Trabectedin nicht nur das
platinfreie Intervall statistisch eindeutig (p=0,0167) verlängert, sondern auch das
Gesamtüberleben ab einer später erforderlichen platinhaltigen Chemotherapie (p=0,0357).
Dies sind laut Sehouli relevante Befunde: "Wir wissen, dass das
platinfreie Intervall einen hohen prognostischen Wert für die Patientin besitzt".
Der Wirkstoff zeichnet sich nach seinen Angaben aber nicht nur durch eine gute
klinische Wirksamkeit aus, sondern besitzt auch ein günstiges Toxizitätsprofil.
Zwar kommt es häufiger zu klinisch meist irrelevanten Neutropenien und Leukopenien,
jedoch tritt unter PLD alleine häufiger ein Hand-Fuß-Syndrom sowie eine Mukositis auf -
zwei Nebenwirkungen, die für die Patientinnen besonders belastend sind.
Die gute Verträglichkeit zeigte sich dabei auch in einer Subgruppenanalyse bei
Patientinnen über 65 Jahren, wobei lediglich eine Fatigue bei diesen Frauen etwas
häufiger auftrat. Es gibt damit nach Sehouli keine Berechtigung, älteren Frauen
diese Therapieoption zu versagen: "Die Prognose ist derjenigen bei jungen Patientinnen
vergleichbar und auch die älteren Frauen haben das Recht auf die bestmögliche
Behandlung", betonte der Mediziner.
Auch das Ansprechen auf eine spätere platinhaltige Therapie wird verbessert
Für eine Behandlung mit Trabectedin plus PLD bei Auftreten eines Rezidivs
sprechen nach Sehouli auch Beobachtungen, wonach die Verlängerung des
platinfreien Intervalls, wie sie sich mit dieser Strategie realisieren lässt,
zugleich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die betreffende Frau in einem späteren
Zyklus auf eine platinhaltige Chemotherapie gut ansprechen wird. Damit lässt sich
wahrscheinlich die Gesamtüberlebenszeit weiter steigern, vermutete der Mediziner.
Die Daten für Trabectedin sind nach seinen Angaben so überzeugend, dass der Wirkstoff
als Therapieempfehlung für die Rezidivbehandlung in die aktuellen Leitli-nien der
AGO Ovar aufgenommen wurden.
Ob sich möglicherweise Carboplatin bei Patientinnen mit platinsensitivem Tumor sogar
durch Trabectedin ersetzen lässt, wird derzeit in der Studie INOVATYON, einer
internationalen multizentrischen randomisierten Phase III-Studie, geprüft.
In Deutschland soll im April die erste Patientin für die Untersuchung rekrutiert
werden. Mit ersten Ergebnissen wird gegen Ende des Jahres gerechnet.
Quellen:
PharmaMar Fach-Presseroundtable: "Fortschritt schafft Perspektiven: Die Behandlung des
Chemotherapie-sensiblen Ovarialkarzinoms mit Trabectedin" am 18. Januar 2011 in Berlin
Januar 2011 |
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Literaturreferate
Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs
Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs