Thrombosen bei onkologischen Patienten
Venöse Thromboembolien (VTE) sind in zweierlei Hinsicht ein Problem bei Krebspatienten: Zum einen
ist die Tumorerkrankung als solche ein Risikofaktor für das Entstehen einer Thrombose, andererseits
besteht bei der Behandlung der akuten Thrombose und bei der Thromboseprophylaxe ein erhöhtes Risiko
für das Auftreten von Blutungen. Epidemiologische Datenerhebungen zeigen eine Zunahme der Inzidenz
von VTE bei Tumorpatienten [1], was, so Prof. Dr. Helmut Ostermann, München, wahrscheinlich der
höheren Aufmerksamkeit gegenüber der Thromboseproblematik sowie den längeren Überlebenszeiten von
Krebspatienten geschuldet sei. Nichtsdestotrotz sei die Thrombose für einen Teil der Todesfälle bei
Tumorpatienten verantwortlich [2] und gehe bei Tumorpatienten mit einer schlechteren Prognose einher [3].
Die aktuellen ASCO-Leitlinien empfehlen für die Therapie der VTE bei Tumorpatienten initial 5-10 Tage
niedermolekulare Heparine (NMH), dann NMH für mindestens 6 Monate und bei aktiver Tumorerkrankung eine
Fortsetzung der NMH-Therapie über die 6 Monate hinaus [4]. Bei Zufallsbefund einer VTE soll wie bei einer
symptomatischen VTE vorgegangen werden.
Behandlung der VTE mit niedermolekularen Heparinen
Die Leitlinienempfehlung erfolgte aufgrund der CLOT-Studie, die eine Reduktion aller VTE unter
Dalteparin versus oraler Antikoagulation (OAK) bei Tumorpatienten zeigte [5]. Die internationale
Main-LITE-Studie kam zu vergleichbaren Ergebnissen. Sie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit
einer längerfristigen Therapie mit Tinzaparin bei 200 anfangs hospitalisierten Krebspatienten mit
tiefer Beinvenenthrombose [6]. Verglichen wurde die Gabe von Tinzaparin mit der initial intravenösen
Gabe von unfraktioniertem Heparin (UFH) und nachfolgender längerfristiger Einnahme des
Vitamin K-Antagonisten (VKA) Warfarin. In der Tinzaparin-Gruppe waren nach einem Jahr signifikant
weniger VTE-Rezidive aufgetreten als im Kontroll-Arm (p=0,044). Das relative Risiko für ein
VTE-Rezidiv konnte um 56% gesenkt werden. Die Blutungsinzidenz war dabei mit 24% unter UFH/Warfarin
versus 27% unter Tinzaparin in beiden Gruppen vergleichbar. Dies bestätigte eine Metaanalyse auch
für die Langzeitanwendung von Tinzaparin bei Tumorpatienten [7]. In der laufenden Studie CATCH
wird nun randomisiert bei 900 Patienten mit aktiver Krebserkrankung und venösem thromboembolischen
Ereignis die 6-monatige Therapie mit Tinzaparin gegen Warfarin untersucht [8]. Für die Anwendung
der direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) gäbe es derzeit keine Evidenz, betonte Ostermann.
Optimierung der Antiemese-Leitlinien bei MEC notwendig?
Von großer Bedeutung für die Praxis ist der sich abzeichnende Optimierungsbedarf der evidenzbasierten
Leitlinien der ASCO und der MASCC bei MEC, die übereinstimmend die Zweierkombination aus Setron und
Kortikoid empfehlen [9, 10]. In der Praxis erweist sich die breite Definition von MEC mit einem
Emesisrisiko von 30-90% zunehmend als problematisch, sagte Feyer. Jordan et al. hatten deshalb die
Frage untersucht, ob auch Patienten, die das mit einem Emesisrisiko von 87% klassifizierte Carboplatin
erhalten, von einer Dreierantiemese einschließlich eines NK1-RA profitieren. In der gepoolten
retrospektiven post Hoc Analyse der Daten einer Subgruppe von 149 mit Carboplatin behandelten
Patienten aus einer Phase-III-Studie ergaben sich Hinweise, dass eine Dreierkombination auch bei
Carboplatin-haltigen Schemata einer Zweierkombination aus Setron und Dexamethason überlegen ist [11].
"Möglicherweise müssen die Klassifikationen bei MEC überdacht werden", konstatierte Feyer.
In Reaktion auf die Emetogenitätsunterschiede innerhalb der Risikoklasse MEC sehen die Therapieempfehlungen
der NCCN den Einsatz eines NK1-RA bei bestimmten Patienten, die mit Carboplatin, Cyclophosphamid
oder Doxorubicin behandelt werden, vor, und die Leitlinien der ASCO empfehlen, den Einsatz eines
NK1-RA zu erwägen. "Zukünftig sollten wir nicht bei dieser "may consider"-Situation stehen bleiben,
sondern wir müssen mehr Evidenz schaffen, damit auch Patienten, die Carboplatin erhalten, von Anfang
an ausreichend vor Übelkeit und Erbrechen geschützt sind", forderte Feyer. "Die Daten zu Carboplatin
sind ein erster Schritt in die Richtung, den Einsatz der Tripletherapie weiter vorzuverlagern",
so Feyer weiter. In Zukunft sollten die individuellen Risikofaktoren von vornherein in den
Therapiealgorithmen berücksichtigt werden, die Empfehlungen zur antiemetischen Prophylaxe
könnten dann beispielsweise als Stufenmodel abgebildet werden.
Dreierantiemese bei Hochdosis-Melphalan verbessert die Emesiskontrolle
Über eine eigene Studie zur Prophylaxe von Übelkeit und Erbrechen bei einer Hochdosischemotherapie
mit Melphalan vor autologer Stammzelltransplantation bei Patienten mit multiplem Myelom berichtete
Prof. Dr. Gerlinde Egerer, Heidelberg. Die ASCO Leitlinien 2011 empfehlen den Einsatz eines 5-HT3-RA
in Kombination mit Dexamethason. Aprepitant sollte in Erwägung gezogen werden [9]. "Ein besonderes
Problem der Hochdosistherapie mit Melphalan ist die nach anfänglich sehr guter Verträglichkeit
auftretende verzögerte Übelkeit", berichtete Egerer über Studienergebnisse und ihre Erfahrungen
am Universitätsklinikum Heidelberg, wo mehr als 200 Blutstammzelltransplantationen pro Jahr
durchgeführt werden. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Aprepitant bei einer myeloablativen
Hochdosischemotherapie oder Radiochemotherapie die Kontrolle von Übelkeit und Erbrechen signifikant
verbessert. In einer Studie, die eine Dreierantiemese mit Aprepitant bei verschiedenen hoch
emetogenen Konditionierungsregimen vor einer Stammzelltransplantation untersucht hatte,
zeigte sich eine besonders starke Reduktion der Emesisrate [12]. "Die Gabe von Aprepitant
hatte dabei keine negativen Auswirkungen auf das Anwachsen des Transplantats und auch das
progressionsfreie und das Gesamtüberleben wurden nicht beeinflusst", erläuterte Egerer.
Zur Untersuchung des Stellenwerts von Aprepitant bei Hochdosischemotherapie mit Melphalan führten
Egerer und Kollegen eine randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-IIIb-Studie (EMNA-Studie) bei
Patienten mit Multiplem Myelom, durch, die eine Hochdosistherapie mit Melphalan und eine autologe
periphere Blutstammzelltransplantation und zur antiemetischen Prophylaxe eine Kombinationstherapie
aus Aprepitant, Granisetron und Dexamethason erhielten [13]. Im Rahmen der Studie wurde auch eine
pharmakokinetische Zusatzauswertung durchgeführt, die zeigte, dass Aprepitant zu keinen
pharmakokinetischen Veränderungen des hochdosierten Melphalans führte [14]. In allen Phasen
nach der Chemotherapie ergab sich eine signifikante Verbesserung der Complete Response
(CR, kein Erbrechen, keine Notfallmedikation), in der Gesamtphase war der Unterschied sogar
hochsignifikant (p=0,0042). Frauen und Patienten mit vorangegangener CINV profitierten in der
EMNA-Studie besonders deutlich. "In der verzögerten und in der Gesamtphase haben wir eine
Verbesserung von über 10% gesehen, hier wird also der von der MASCC geforderte mindestens
10%ige Unterschied zur Vergleichstherapie erreicht", konstatierte Egerer und forderte:
"Auch dieses Paper sollte deshalb Eingang in die Aktualisierung der Antiemese-Leitlinien
finden."
Mascha Pömmerl, Feldkirchen-Westerham
Literaturhinweise:
Quelle: 27. Münchener Fachpresse-Workshop der POMME-med GmbH am 6. November 2014 in München November 2014
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