Die Leitlinien der American Society of Clinical Oncology (ASCO) [1] erklärten Tamoxifen 2014
erneut zur antihormonellen Therapie der Wahl bei Mammakarzinomen und Aromatasehemmer zur
Alternative. Maßgeblich ist hierbei ein nachhaltiger Zusatznutzen. Die im Vergleich zur
Enzymblockade mit Aromatasehemmern weniger agressive Tamoxifen-Therapie besitzt zudem
eine hohe onkologische Sicherheit - insbesondere, wenn Nonresponder vor Therapiestart
ausgeschlossen werden, so Prof. Matthias Wenderlein (Ulm) in einem aktuellen
Artikel zur antihormonellen Therapie [2].
Metabolisierung von Tamoxifen
Als Prodrug muss Tamoxifen zunächst in der Leber unter Beteiligung des Cytochrom-P450-Enzyms
CYP2D6 metabolisiert werden. Die Enzym-Aktivität kann jedoch von vielen genetisch determinierten
Polymorphismen relevant beeinträchtigt sein: Nur bei der Hälfte der Patientinnen liegt sie
im Normalbereich [3], sodass diese Patientinnen uneingeschränkt von der Standarddosis von
20 mg Tamoxifen/Tag profitieren. Bei der anderen Hälfte sind je nach Metabolisierungstyp
Dosisanpassungen (Intermediate Metabolizer) zu erwägen oder der Wirkstoff ist aufgrund
mangelnder (Poor Metabolizer) oder zu schneller Verstoffwechselung (Ultrarapid Metabolizer)
gänzlich ungeeignet. Das BfArM hat deshalb darauf hingewiesen, dass bei Poor Metabolizern (PM)
der Plasmaspiegel des aktiven Metaboliten Endoxifen extrem abgesenkt ist und dies in einem
erhöhten Risiko für einen Wirkverlust resultieren kann [4].
Dies spiegelt sich auch in der Rezidivhäufigkeit wider. In einer Studie des Instituts
für Klinische Pharmakologie in Stuttgart mit 1.325 Teilnehmerinnen betrug diese nach
neun Jahren bei PM 29% gegenüber 14,9% bei Patientinnen mit normaler CYP2D6-Aktivität [3].
Eine aktuelle Studie an der Charité kam zu ähnlichen Ergebnissen bei Patientinnen mit
fortgeschrittenem Brustkrebs. Frauen mit genetisch gestörter Tamoxifen-Metabolisierung
profitierten 50% weniger von der Therapie. 11% der Frauen erwiesen sich als PM; bei
Arzneimittel-Nebenwirkungen würde diese Inzidenz als „sehr häufig“ eingestuft werden [5].
Wirkstoffeignung vorab testen
Durch eine Bestimmung des CYP2D6-Metabolisierungstyps (z.B. mit STADA Diagnostik Tamoxifen)
lässt sich bereits vor Beginn der endokrinen Therapie feststellen, von welchem Therapieschema
eine Patientin erwartungsgemäß am meisten profitieren wird und ob eventuell ein intensives
Nebenwirkungs-Monitoring erforderlich ist. Im Sinne der frühen Nutzenbewertung rät Wenderlein
daher zu einem CYP2D6-Test vor jeder Tamoxifen-Therapie, wenn sichergestellt ist, dass der
Test auch entsprechende Qualitätsmerkmale aufweist, die eine valide Aussage zulassen:
Bei PM-Patientinnen stelle die Tamoxifen-Behandlung einen „Therapie-Blindflug“ ohne
onkologischen Nutzen dar, so der Experte im aktuellen Artikel [6]. Dem Test kommt somit
eine Weichenfunktion für die gezielte Auswahl individueller Therapiekonzepte zu.
Unnötige Klassenwechsel vermeiden
Für postmenopausale Patientinnen wird in der S3-Leitlinie7 der AWMF empfohlen, im Wechsel
2,5 Jahre Tamoxifen und 2,5 Jahre einen Aromatasehemmer zu geben. Dieses sequenzielle
Therapieschema werde auch deshalb verordnet, weil eine ausschließliche Behandlung mit
Tamoxifen nicht bei jeder Patientin optimal wirksam zu sein scheine, erläuterte
Prof. Theo Dingermann, vom Institut für pharmazeutische Biologie in Frankfurt in einem Übersichtsbeitrag [8].
PM sollten, falls keine Kontraindikation besteht, nur Aromatasehemmer erhalten. Ist hingegen die
Wirkstoffeignung von Tamoxifen für eine Patientin nachgewiesen, kann auf Aromatasehemmer verzichtet
werden.
Laut Wenderlein profitieren die Patientinnen von einer durchgängigen Tamoxifen-Gabe in
zweifacher Hinsicht[6]: Zum einen besitze Tamoxifen als selektiver Östrogenrezeptor-Modulator
einen Arzneimittelzusatznutzen. Es übe eine Östrogen-Partialwirkung auf Gefäße, Knochen
und das ZNS aus: Tamoxifen reduziere über seine lipidsenkende Wirkung das KHK-Risiko,
beuge Osteoporose vor, indem es die Osteoklasten hemme, und verringere das Schlaganfallrisiko.
Zum anderen sei die Lebensqualität unter Tamoxifen meist besser als unter Aromatasehemmern.
Prolongierte Rezidiv-Prophylaxe erwägen
Bei prämenopausalen Patientinnen empfiehlt die S3-Leitlinie [7] zur Rezidivprophylaxe eines
hormonpositiven Mammakarzinoms bisher eine 5-jährige Behandlung mit 20 mg Tamoxifen
pro Tag. Allerdings hat die mit rund 13.000 Brustkrebspatientinnen sehr groß angelegte
ATLAS-Studie gezeigt, dass eine Einnahme über 10 Jahre noch vorteilhafter ist [9]. Die
prolongierte Tamoxifen-Nutzung halbiere kumulativ die Brustkrebsmortalität,
konstatierte Wenderlein [3]. Sowohl die Brustkrebsrezidivrate, die Brustkrebsmortalität
als auch die Gesamtmortalität waren in der Zehnjahresgruppe signifikant niedriger.
Insbesondere beim Vorliegen von Risikofaktoren sollte daher - gute Verträglichkeit
und nachgewiesene metabolische Eignung vorausgesetzt - eine Gabe über 10 Jahre
erwogen werden.
Neuerkrankungen vorbeugen
Dass Tamoxifen auch primärprophylaktisch einsetzbar ist, zeigt die in Lancet Oncology
veröffentlichte International Breast Cancer Intervention Study (IBIS) [10]. 7.154 gesunde
Risikopatientinnen im Alter von 35–70 Jahren mit familiärer Prädisposition oder
ungewöhnlicher benigner Brusterkrankung erhielten Tamoxifen (20 mg täglich) bzw.
Placebo über 5 Jahre.
Die mittlere Beobachtungszeit umfasste 16 Jahre. In allen untersuchten Zeiträumen
(0–10 Jahre, ≥10 Jahre, gesamt) betrug die relative Risikoreduktion durch Tamoxifen
rund 30%. Ein Langzeitschutz vor Brustkrebs von mindestens 20 Jahren wurde belegt.
Einen effektiven Schutz bietet die Tamoxifengabe allerdings nur bei entsprechenden
Metabolisierungstypen.
Individuell ausgerichtete Therapieregime nutzen
Nachdem mithilfe eines DNA-Tests die metabolische Eignung von Tamoxifen für die
Patientin festgestellt wurde, bieten gemäß aktueller Studienlage folgende Regime
hinsichtlich Effektivität und Verträglichkeit individuell optimierte Perspektiven:
• Bezüglich der Primärprävention von Hochrisikopatientinnen spricht die
International Breast Cancer Intervention Study für eine Tamoxifengabe über 5 Jahre.
• Nach den Ergebnissen der ATLAS-Studie sollte Tamoxifen zur Rezidivprophylaxe
in der Regel über 10 Jahre eingenommen werden. Aufgrund der von Wenderlein beschriebenen
Vorteile einer Tamoxifengabe ist bei individueller Eignung des Wirkstoffs ein Wechsel
zu Aromatasehemmern meist eher kontraproduktiv.
Quellen
[1] ASCO Guidelines
http://www.asco.org/guidelines/endocrinebreast
bzw. Burstein et al. 2014. Journal of clinical Oncology 32 (21):2255-2270
[2] Wenderlein JM. 2015. gyne 6:10-15
[3] Schroth W, et al. 2009. JAMA 302 (13):1429–1436
[4] Stufenplanbeschluss des BfArM; 14.11.2012
[5] Karle et al. 2013. Breast Cancer Research and Treatment 139 (2):553-560
[6] Wenderlein JM. 2014. ÄP Gynäkologie 4:8–16
[7] S3-Leitlinie "Mammakarzinom der Frau; Diagnostik, Therapie und Nachsorge"
http://www.awmf.org/leitlinien
[8] Dingermann T, Zündorf I. 2014. Deutsche Z Onkol 46:16–20
[9] Davies C, et al. 2013. Lancet 381:805–816
[10] Cuzick J, et al. 2015. Lancet Oncol 16:67–75
Quelle: Stada Arzneimittel GmbH
Dezember 2015 |
Literaturreferate
Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs
Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs