Review antihormonelle Prävention: Genotypisierung und individuelle Therapiekonzepte eröffnen neue Perspektiven

Wie lässt sich die Rezidiv-Prophylaxe von Brustkrebs noch effektiver gestalten? Insbesondere der optimierte Einsatz bewährter Wirkstoffe birgt das Potential, Rezidiv- und Neuerkrankungsraten zu senken. Durch Erkenntnisse aus aktuellen Studien und die Genotypisierung zur Ermittlung der individuellen Wirkstoffeignung steht der Tamoxifentherapie ein Paradigmenwechsel bevor. Noch ist der weitgehend unstratifizierte Einsatz dieses Wirkstoffs in der Nachsorge mit Klassenwechseln zu Aromatasehemmern Usus. Individueller gerichtete Ansätze auf Basis des vorliegenden Metabolisierungstyps eröffnen jedoch neue Perspektiven. So kann bei Eignung des Wirkstoffs auf einen Klassenwechsel verzichtet werden. Auch eine prolongierte Therapie sowie die präventative Gabe bei familiärer Prädisposition sind dann zu erwägen.

Die Leitlinien der American Society of Clinical Oncology (ASCO) [1] erklärten Tamoxifen 2014 erneut zur antihormonellen Therapie der Wahl bei Mammakarzinomen und Aromatasehemmer zur Alternative. Maßgeblich ist hierbei ein nachhaltiger Zusatznutzen. Die im Vergleich zur Enzymblockade mit Aromatasehemmern weniger agressive Tamoxifen-Therapie besitzt zudem eine hohe onkologische Sicherheit - insbesondere, wenn Nonresponder vor Therapiestart ausgeschlossen werden, so Prof. Matthias Wenderlein (Ulm) in einem aktuellen Artikel zur antihormonellen Therapie [2].

Metabolisierung von Tamoxifen

Als Prodrug muss Tamoxifen zunächst in der Leber unter Beteiligung des Cytochrom-P450-Enzyms CYP2D6 metabolisiert werden. Die Enzym-Aktivität kann jedoch von vielen genetisch determinierten Polymorphismen relevant beeinträchtigt sein: Nur bei der Hälfte der Patientinnen liegt sie im Normalbereich [3], sodass diese Patientinnen uneingeschränkt von der Standarddosis von 20 mg Tamoxifen/Tag profitieren. Bei der anderen Hälfte sind je nach Metabolisierungstyp Dosisanpassungen (Intermediate Metabolizer) zu erwägen oder der Wirkstoff ist aufgrund mangelnder (Poor Metabolizer) oder zu schneller Verstoffwechselung (Ultrarapid Metabolizer) gänzlich ungeeignet. Das BfArM hat deshalb darauf hingewiesen, dass bei Poor Metabolizern (PM) der Plasmaspiegel des aktiven Metaboliten Endoxifen extrem abgesenkt ist und dies in einem erhöhten Risiko für einen Wirkverlust resultieren kann [4].

Dies spiegelt sich auch in der Rezidivhäufigkeit wider. In einer Studie des Instituts für Klinische Pharmakologie in Stuttgart mit 1.325 Teilnehmerinnen betrug diese nach neun Jahren bei PM 29% gegenüber 14,9% bei Patientinnen mit normaler CYP2D6-Aktivität [3].

Eine aktuelle Studie an der Charité kam zu ähnlichen Ergebnissen bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs. Frauen mit genetisch gestörter Tamoxifen-Metabolisierung profitierten 50% weniger von der Therapie. 11% der Frauen erwiesen sich als PM; bei Arzneimittel-Nebenwirkungen würde diese Inzidenz als „sehr häufig“ eingestuft werden [5].

Wirkstoffeignung vorab testen

Durch eine Bestimmung des CYP2D6-Metabolisierungstyps (z.B. mit STADA Diagnostik Tamoxifen) lässt sich bereits vor Beginn der endokrinen Therapie feststellen, von welchem Therapieschema eine Patientin erwartungsgemäß am meisten profitieren wird und ob eventuell ein intensives Nebenwirkungs-Monitoring erforderlich ist. Im Sinne der frühen Nutzenbewertung rät Wenderlein daher zu einem CYP2D6-Test vor jeder Tamoxifen-Therapie, wenn sichergestellt ist, dass der Test auch entsprechende Qualitätsmerkmale aufweist, die eine valide Aussage zulassen: Bei PM-Patientinnen stelle die Tamoxifen-Behandlung einen „Therapie-Blindflug“ ohne onkologischen Nutzen dar, so der Experte im aktuellen Artikel [6]. Dem Test kommt somit eine Weichenfunktion für die gezielte Auswahl individueller Therapiekonzepte zu.

Unnötige Klassenwechsel vermeiden

Für postmenopausale Patientinnen wird in der S3-Leitlinie7 der AWMF empfohlen, im Wechsel 2,5 Jahre Tamoxifen und 2,5 Jahre einen Aromatasehemmer zu geben. Dieses sequenzielle Therapieschema werde auch deshalb verordnet, weil eine ausschließliche Behandlung mit Tamoxifen nicht bei jeder Patientin optimal wirksam zu sein scheine, erläuterte Prof. Theo Dingermann, vom Institut für pharmazeutische Biologie in Frankfurt in einem Übersichtsbeitrag [8]. PM sollten, falls keine Kontraindikation besteht, nur Aromatasehemmer erhalten. Ist hingegen die Wirkstoffeignung von Tamoxifen für eine Patientin nachgewiesen, kann auf Aromatasehemmer verzichtet werden.

Laut Wenderlein profitieren die Patientinnen von einer durchgängigen Tamoxifen-Gabe in zweifacher Hinsicht[6]: Zum einen besitze Tamoxifen als selektiver Östrogenrezeptor-Modulator einen Arzneimittelzusatznutzen. Es übe eine Östrogen-Partialwirkung auf Gefäße, Knochen und das ZNS aus: Tamoxifen reduziere über seine lipidsenkende Wirkung das KHK-Risiko, beuge Osteoporose vor, indem es die Osteoklasten hemme, und verringere das Schlaganfallrisiko. Zum anderen sei die Lebensqualität unter Tamoxifen meist besser als unter Aromatasehemmern.

Prolongierte Rezidiv-Prophylaxe erwägen

Bei prämenopausalen Patientinnen empfiehlt die S3-Leitlinie [7] zur Rezidivprophylaxe eines hormonpositiven Mammakarzinoms bisher eine 5-jährige Behandlung mit 20 mg Tamoxifen pro Tag. Allerdings hat die mit rund 13.000 Brustkrebspatientinnen sehr groß angelegte ATLAS-Studie gezeigt, dass eine Einnahme über 10 Jahre noch vorteilhafter ist [9]. Die prolongierte Tamoxifen-Nutzung halbiere kumulativ die Brustkrebsmortalität, konstatierte Wenderlein [3]. Sowohl die Brustkrebsrezidivrate, die Brustkrebsmortalität als auch die Gesamtmortalität waren in der Zehnjahresgruppe signifikant niedriger. Insbesondere beim Vorliegen von Risikofaktoren sollte daher - gute Verträglichkeit und nachgewiesene metabolische Eignung vorausgesetzt - eine Gabe über 10 Jahre erwogen werden.

Neuerkrankungen vorbeugen

Dass Tamoxifen auch primärprophylaktisch einsetzbar ist, zeigt die in Lancet Oncology veröffentlichte International Breast Cancer Intervention Study (IBIS) [10]. 7.154 gesunde Risikopatientinnen im Alter von 35–70 Jahren mit familiärer Prädisposition oder ungewöhnlicher benigner Brusterkrankung erhielten Tamoxifen (20 mg täglich) bzw. Placebo über 5 Jahre.
Die mittlere Beobachtungszeit umfasste 16 Jahre. In allen untersuchten Zeiträumen (0–10 Jahre, ≥10 Jahre, gesamt) betrug die relative Risikoreduktion durch Tamoxifen rund 30%. Ein Langzeitschutz vor Brustkrebs von mindestens 20 Jahren wurde belegt. Einen effektiven Schutz bietet die Tamoxifengabe allerdings nur bei entsprechenden Metabolisierungstypen.

Individuell ausgerichtete Therapieregime nutzen

Nachdem mithilfe eines DNA-Tests die metabolische Eignung von Tamoxifen für die Patientin festgestellt wurde, bieten gemäß aktueller Studienlage folgende Regime hinsichtlich Effektivität und Verträglichkeit individuell optimierte Perspektiven:

• Bezüglich der Primärprävention von Hochrisikopatientinnen spricht die International Breast Cancer Intervention Study für eine Tamoxifengabe über 5 Jahre.

• Nach den Ergebnissen der ATLAS-Studie sollte Tamoxifen zur Rezidivprophylaxe in der Regel über 10 Jahre eingenommen werden. Aufgrund der von Wenderlein beschriebenen Vorteile einer Tamoxifengabe ist bei individueller Eignung des Wirkstoffs ein Wechsel zu Aromatasehemmern meist eher kontraproduktiv.

Quellen
[1] ASCO Guidelines http://www.asco.org/guidelines/endocrinebreast bzw. Burstein et al. 2014. Journal of clinical Oncology 32 (21):2255-2270
[2] Wenderlein JM. 2015. gyne 6:10-15
[3] Schroth W, et al. 2009. JAMA 302 (13):1429–1436
[4] Stufenplanbeschluss des BfArM; 14.11.2012
[5] Karle et al. 2013. Breast Cancer Research and Treatment 139 (2):553-560
[6] Wenderlein JM. 2014. ÄP Gynäkologie 4:8–16
[7] S3-Leitlinie "Mammakarzinom der Frau; Diagnostik, Therapie und Nachsorge" http://www.awmf.org/leitlinien
[8] Dingermann T, Zündorf I. 2014. Deutsche Z Onkol 46:16–20
[9] Davies C, et al. 2013. Lancet 381:805–816
[10] Cuzick J, et al. 2015. Lancet Oncol 16:67–75


Quelle: Stada Arzneimittel GmbH


Dezember 2015

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Vulväre intraepitheliale Neoplasie
Präinvasive genitale Läsionen mit erheblich ange stiegener Inzidenzrate

Literaturreferate
GeparQuattro-Studie:
Neoadjuvante Therapie mit Trastuzu-mab bei HER2-positivem Brustkrebs

Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs

Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs