Wissenschaftler finden Eiweißmolekül, mit dem Krebszellen angreifbarer für Chemotherapeutika werden


Eine der größten Schwierigkeiten bei der Behandlung von Krebspatienten besteht darin, dass viele Tumoren unempfindlich gegen die angewandte Chemotherapie sind. Forscher weltweit arbeiten daran, die Widerstandsfähigkeit von Krebszellen gegenüber Chemotherapie zu senken. Ein internationales Forscherteam um Dr. Frederik Köpper, Cathrin Bierwirth und Prof. Dr. Matthias Dobbelstein am Institut für Molekulare Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben jetzt ein zelluläres Eiweißmolekül identifiziert, das die Widerstandsfähigkeit von Krebszellen maßgeblich beeinflusst. Das Eiweiß sorgt dafür, dass in Krebszellen die Herstellung von Kopien des Erbguts gebremst wird, wenn sie in Kontakt mit Chemotherapeutika kommen. So werden Krebszellen empfindlicher gegenüber Chemotherapie.

Viele Medikamente, die in der Chemotherapie eingesetzt werden, wirken, indem sie das Erbgut (DNA) von Tumorzellen schädigen. Nimmt die DNA ernsthaften Schaden, ist die Zelle nicht mehr lebensfähig. So sorgen Chemotherapeutika dafür, dass sich Krebszellen nicht mehr vermehren können und schließlich sterben. Das Wissenschaftlerteam an der Universitätsmedizin Göttingen hat nun herausgefunden, dass dabei ein Eiweiß mit dem Namen MK2 (MK2 steht für Mitogen activated protein kinase-activated protein kinase 2) eine besondere Rolle spielt. Es trägt dazu bei, dass Krebszellen sterben, wenn ihr Erbgut beschädigt wird. Wurde das Eiweiß MK2 aus den Zellen entfernt oder seine Aktivität blockiert, überlebten die Krebszellen besser.

Um die DNA der Krebszellen zu schädigen, benutzten die Forscher ultraviolettes Licht oder das Chemotherapeutikum Gemzitabin. Vor jeder Teilung müssen Zellen eine perfekte Kopie ihres Erbguts erstellen. Nur so geht bei der Teilung keine Information verloren. "Gemzitabin und einige andere Chemotherapeutika entfalten ihre Wirkung, indem sie diesen Kopiervorgang stören - wie Sand, der in einem Kopiergerät alle Rädchen zum Stehen bringt", sagt Cathrin Bierwirth, eine der beiden Erst-Autoren der Publikation. Die Folge: Das Erbgut wird nicht vollständig kopiert. Die Krebszelle stirbt.

Die Forscher vermuteten, dass das Eiweiß MK2 entscheidend dafür ist, wie gut Zellen bei der Kopie ihres Erbguts mit Störungen durch Gemzitabin umgehen können. Um dies zu überprüfen, nutzten die Forscher eine spezielle Technik, die sogenannten "DNA fiber assays". Die DNA lässt sich damit bei der Kopie markieren und anschließend unter dem Mikroskop farbig sichtbar machen. "Anhand der Länge der gefärbten DNA-Abschnitte können wir nun feststellen, ob die Zellen ihr Erbgut in normaler Geschwindigkeit kopieren - oder ob das Kopiergerät hakt", sagt Dr. Frederik Köpper, ebenfalls Erst-Autor der Publikation. Tatsächlich fanden die Forscher heraus: Zellen kopieren ihre DNA trotz Gemzitabin schneller, wenn die Aktivität von MK2 blockiert worden war.

Doch wie schafft es MK2, die Kopiergeschwindigkeit zu regulieren? Weitere Experimente ergaben, dass MK2 möglicherweise eine Gruppe von Eiweißen in der Zelle kontrolliert, die darauf spezialisiert sind, beschädigte DNA zu kopieren. Es handelt sich dabei um die sogenannten trans lesion synthesis-Polymerasen. Diese Eiweiße sind gewissermaßen größere Kopier-Rädchen, die sich trotz Sand im Kopiergerät drehen können und dafür sorgen, dass die Kopie gelingt. Die Wissenschaftler vermuten: MK2 verhindert, dass diese Eiweiße bei der DNA-Kopie helfen, und bewirkt so, dass die Zelle durch die Chemotherapie stirbt.

"Wir hoffen nun, dass sich diese Erkenntnisse eines Tages bei der Behandlung von Krebspatienten nutzen lassen. Dazu müssen aber zunächst Strategien entwickelt werden, um MK2 gezielt zu aktivieren. Möglicherweise könnten dann Krebszellen empfindlicher gegenüber bestimmten Chemotherapeutika gemacht werden", sagt Prof. Dr. Matthias Dobbelstein, Senior-Autor der Publikation und Direktor des Instituts für Molekulare Onkologie der UMG.

Literaturhinweis:
Köpper F, Bierwirth C, Schön M, et al. 2013. Damage-induced DNA replication stalling relies on MAPK-activated protein kinase 2 activity. Proc. Natl Acad Sci U S A, 110:16856-16861
www.pnas.org

Quelle: Universitätsmedizin Göttingen

November 2013

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Literaturreferate
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