Immunonkologie und das PD-1-Wirkprinzip
Die Diagnose „metastasiertes Melanom“ ging bis zum Jahr 2011 mit der Prognose eines medianen Gesamtüberlebens
von etwa einem halben Jahr einher, erinnerte Dr. Peter Mohr, Buxtehude. Nur ein Viertel der Patienten
überlebte ein Jahr. Mit dem CTLA-4 (Cytotoxic T lymphocyte–associated antigen-4)-Antikörper Ipilimumab
wurde zum ersten Mal ein Langzeitüberleben bei 20-30% der Patienten gesehen, die das Medikament als
Monotherapie oder in Kombination mit Dacarbazin (DTIC) erhielten (Hodi FS et al. N Engl J Med 2010;363:711).
Im Rahmen dieser Therapie wurden immunvermittelte Nebenwirkungen, wie Colitis und Uveitis, beobachtet, die
es nun heißt, kontrollieren zu lernen, bemerkte Mohr, aber die Onkologie sei von jeher die Kunst der
Balance zwischen Wirkung und Nebenwirkung.
72% der Patienten mit Melanom sprachen auf PD-1-Hemmung mit Pembrolizumab an
Eine weitaus verträglichere immunmodulierende Antikörperklasse sind die PD-1 (programmed death-1-Rezeptor)-Inhibitoren,
die die Inaktivierung der T-Zellen durch den Tumor aufheben. Schaltstelle ist der Tumor-T-Zell-Checkpoint
zwischen PD-1 und seinen Liganden PD-L1 und PD-L2. Pembrolizumab (MK-3475) sei eine neue Substanz, die man
sich auch für andere Tumorentitäten merken müsse, erklärte Mohr, denn das Wirkprinzip
funktioniere generell bei verschiedenen Tumoren, da allgemein das Immunsystem der Patienten reaktiviert
werde. Das Melanom ist eine der ersten Entitäten, bei der die hervorragende Wirksamkeit und Verträglichkeit
von Pembrolizumab gezeigt wurde: In der Phase-I-Studie KEYNOTE-001 wurden 190 Ipilimumab-naive und
221 Ipilimumab-vorbehandelte Melanom-Patienten mit Pembrolizumab in verschiedenen Dosierungen behandelt
(Ribas A et al. J Clin Oncol 32, 2014 (suppl; abstr LBA9000). Von den 365 Patienten mit messbarer Erkrankung
zu Beginn der Studie zeigten 72% ein Ansprechen nach RECIST-Kriterien. Patienten, die angesprochen hatten,
entwickelten selten Resistenzen: Zur Zeit der Zwischenauswertung war der Median der Ansprechdauer noch nicht
erreicht, 88% der Patienten zeigten ein andauerndes Ansprechen. Auch bei Patienten mit Hirnmetastasen wurde
teils ein komplettes Ansprechen beobachtet, was darauf hindeutet, dass PD-1-Inhibitoren auch bei Hirnmetastasen
effektiv sind (Kefford et al. J Clin Oncol 32, 2014 (suppl; abstr, 3005). Nach einem Jahr lebten in der
KEYNOTE-001-Studie 69% der Patienten und nach 18 Monaten 62%. Auch wenn Patienten mit PD-L1-positiven
Tumoren besser ansprachen, so scheinen auch Patienten mit PD-L1-negativen Tumoren von der Therapie gut
zu profitieren, erklärte Mohr. Diesen Patienten dürfe daher die Therapie nicht vorenthalten werden.
„Wir sind bei weitem nicht am Ende, sondern ganz am Anfang der Immunonkologie“, begeisterte sich Mohr.
Erste Studien und Versuche mit Tumormodellen zeigen, dass sich die Immun-Checkpoint-Modifier auch
miteinander hoch effektiv kombinieren lassen. Zudem werden derzeit bereits Studien mit Kombinationen
von Immuntherapien und zielgerichteten Therapien durchgeführt. Pembrolizumab wird in Deutschland
wahrscheinlich das erste Medikament der Substanzgruppe der PD-1-Antikörper sein, welches die
Zulassung erhalten wird.
Moderne Therapie des metastasierten Weichteilsarkoms
Das Weichteilsarkom ist eine sehr seltene Erkrankung mit ca. 50 Entitäten, die nach Ursprungsgewebe
histologisch eingeordnet werden [Bokemeyer C. Editorial in „Onkologisch 3/2006“, Springer Medizin Verlag,
Heidelberg, 2006]. 60% der Weichteilsarkome treten im Bereich der Extremitäten auf, 20-35% sind retro- und
intraperitoneale Sarkome und 15-20% entstehen im Körperstamm sowie im Kopf-Hals-Bereich [Leitlinien
Weichteilsarkome der DGHO; www.dgho-onkopedia.de]. Die molekulare Pathogenese unterscheidet drei Gruppen:
1. Spezifische Punktmutationen, die mit TKIs (Tyrosin-Kinase-Inhibitoren) behandelt werden können.
2. Kindliche Sarkome, die kurative Chancen haben und in klinischen Studien behandelt werden sollten.
3. Genetisch nicht klassifizierte Weichteilsarkome beim Erwachsenen. Als Chemotherapie-resistent sind
die Subtypen „alveoläres Weichteilsarkom“, „Klarzellsarkom“ und „G1-Tumoren“ abzugrenzen. Während die
Chemotherapie-resistenten Entitäten in die chirurgische Domäne gehören, ist in der Behandlung der
Chemotherapie-sensitiven Weichteilsarkome des Stadiums IV in der Erstlinientherapie Doxorubicin der
Standard. Von einer zusätzlichen Ifosfamid-Gabe bat Prof. Dr. Hans-Georg Kopp, Tübingen, im ambulanten
Setting Abstand zu nehmen, da die Kombination toxischer sei als die Doxorubicin-Monotherapie und
deswegen stationär gegeben werden müsse. Bei einem medianen Überleben von 12-15 Monaten, welches
laut EORTC-Studie durch die Kombinationstherapie versus die Doxorubicin-Monotherapie nicht signifikant
verlängert wurde (Judson I et al. Lancet Oncol 2014;15:415), sei die ambulante Behandlung der stationären
im Sinne des Patienten vorzuziehen.
Langzeit-Überleben unter Pazopanib-Therapie bei einem Drittel der Patienten
In der Phase-III-Studie PALETTE (EORTC 62072) erhielten 369 Patienten mit Weichteilsarkomen, die bis
zu vier palliative Vortherapien erhalten hatten und Anthrazyklin-vorbehandelt waren, 2:1-randomisiert
Pazopanib (800 mg/d) versus Placebo (Van der Graaf WT et al. Lancet 2012;379:1879). Patienten mit
Liposarkomen und GIST waren von der Studie ausgeschlossen. Der primäre Studienendpunkt, eine Verlängerung
des progressionsfreien Überlebens (PFS), wurde mit 1,6 versus 4,6 Monaten mit hoher statistischer
Signifikanz erreicht. Eine kombinierte retrospektive Subgruppenanalyse der Phase-II-Studie EORTC 62043
und des Pazopanib-Arms der Phase-III-Studie EORTC 62072 mit insgesamt 344 Patienten identifizierte 36% (n=124)
als Langzeit-„Responder“ mit einem PFS > 6 Monate und 34% (n=116) als Langzeit-„Surviver“ mit einem
OS >18 Monate (Kasper B et al. Ann Oncol 2014;25:719). 22,1% der Patienten waren sowohl Langzeit-„Responder“
als auch Langzeit-„Surviver“. Desweiteren wurde bei der retrospektiven Auswertung festgestellt, dass 3,5% (n=12)
der Patienten länger als zwei Jahre unter Pazopanib-Therapie blieben. Die mediane Zeit unter Pazopanib in dieser
Gruppe betrug 2,4 Jahre, die längste Behandlung 3,7 Jahre. Prognostisch positive Faktoren für das
progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben waren ein guter „Performance“-Status, der Tumorstatus
und ein normaler Hämoglobin-Spiegel zur „Baseline“. Die besonders schmerzhaften Angiosarkome sprechen, so
die Erfahrung von Kopp, gut auf Pazopanib an. Es sei noch eine der Herausforderungen in der Sarkom-Therapie
herauszufinden, welche Patienten in welcher Therapielinie von welcher Substanz am meisten profitieren.
Meningeosis neoplastica – unterdiagnostiziert und schlecht erforscht
Die Meningeosis neoplastica (MN) bezeichnet die Absiedlung von Tumorzellen in den Liquorraum, in den
Subarachnoidalraum und/oder in die weichen Hirnhäute und ist eine im fortgeschrittenen Krankheitsstadium
häufig auftretende schwere Komplikation vieler solider und hämatologischer Tumorentitäten. „Trotzdem ist
die MN in der Onkologie und Hämatologie ein etwas vergessenes und extrem schlecht erforschtes Problem, zu
dem es kaum prospektiv randomisierte Studien gibt und bei deren Management wir uns vor allem auf Fallberichte
und Erfahrungswerte stützen“, konstatierte PD Dr. med. Martin Glas, Bonn. Die Inzidenz schwankt je nach
Histologie des Primärtumors. „Bei ca. 5-8% aller Mammakarzinome kommt es im Laufe der Erkrankung zu einem
Liquorbefall gegenüber 9-25% bei Bronchialkarzinomen und 6-18% bei malignen Melanomen. Die Inzidenz der MN
wird häufig unterschätzt“, sagte der Neurologe, der die MN als ein unterdiagnostiziertes Problem bezeichnete.
Es gibt keine beweisenden, sondern nur unspezifische Symptome, die auf eine MN hinweisen. Dazu zählen
Hirnnervenlähmungen, radikuläre Symptome und Anzeichen von erhöhtem Hirndruck wie Kopfschmerzen oder
Übelkeit und Erbrechen. Eine sichere Diagnose ermöglicht die Kombination einer Liquoruntersuchung mit
einer MRT von Kopf und Wirbelsäule. Beweisend für das Vorliegen einer MN ist der Nachweis maligner
Zellen im Liquor. Wichtig ist hierbei, dass eine ausreichende Menge Liquor, nämlich 5-10 ml, innerhalb
von einer Stunde analysiert wird.
Intrathekale Chemotherapie mit liposomalem Cytarabin kann Therapieintervalle verlängern und Lebensqualität steigern
Unbehandelt führt die MN innerhalb von 4-6 Wochen zum Tod, unter Therapie verlängert sich das
Gesamtüberleben auf 3-6 Monate. Zum Einsatz kommen können neben einer Ganzhirnbestrahlung oder der Bestrahlung
der betroffenen Region die intrathekale und systemische Chemotherapie. Berücksichtigt werden müssen bei der
Therapiewahl die systemische Tumorlast außerhalb des ZNS (Metastasen und/oder Progress des Primärtumors)
und eventuell vorliegende solide Hirnmetastasen. „Außerdem ist es wichtig, die knotig-solide Form der MN
von der diffusen, nicht adhärenten Form mit frei flottierende Tumorzellen zu unterscheiden“, erläuterte
Glas. Bei systemischen Metastasen und/oder knotig-solider leptomeningealer Tumorabsiedlung sollte eine
systemische Chemotherapie erfolgen, bei diffusem Befall und nicht adhärenten malignen Zellen im Liquor
wird eine intrathekale Chemotherapie mit Methotrexat (MTX), Cytarabin oder Thiotepa durchgeführt.
„Kombinationstherapien werden bei der intrathekalen Behandlung nicht empfohlen, aufgrund der stringenten
Datenlage sollte monotherapeutisch behandelt werden“, sagte Glas. Nach Liquorsanierung erfolge in der Regel
keine Erhaltungstherapie. Die Kombination mit einer Radiotherapie birgt die erhöhte Gefahr der Neurotoxizität,
weshalb diese nicht am gleichen Tag erfolgen sollte. Die intrathekale Chemotherapie wird entweder über
Lumbalpunktion oder über ein intraventrikuläres Reservoir (Ommaya-Reservoir) appliziert. Letzteres spart
zwar dem Patienten wiederholte Lumbalpunktionen, macht jedoch eine Operation nötig und ist mit einer nicht
unerheblichen Infektionsgefahr verbunden. „Hier hat uns das liposomale Cytarabin das Leben leichter gemacht.
Aufgrund der deutlich längeren Halbwertszeit der Substanz ist die notwendige Applikationshäufigkeit gegenüber
konventionellem Cytarabin und MTX deutlich reduziert – die zweiwöchentliche Gabe ist bei liposomalem Cytarabin
ausreichend“, erklärte Glas. Die Substanz verteilt sich auch nach lumbaler Applikation gleichmäßig im Liquorraum
(Glantz MJ et al J Clin Oncol 2006; 24 Abstract 1530). Beim Vergleich zwischen lumbaler und ventrikulärer
Applikation zeigten sich hinsichtlich des PFS keine Unterschiede (Glantz MJ et al. Cancer 2010;116:1947-52).
Eine prospektiv randomisierte Studie bei Patienten mit verschiedenen hämatologischen Neoplasien und soliden
Tumoren konnte belegen, dass liposomales Cytarabin das mediane Intervall bis zur neurologischen Progression
gegenüber MTX signifikant verlängert (Glantz MJ et al. Clin Cancer Res 1999; 5:3394-402). Gegenüber
konventionellem Cytarabin verbesserte die liposomale Formulierung Ansprechrate und Lebensqualität
(Glantz MJ et al. J Clin Oncol 1999;17:3110-6)
Verbesserung der Datenlage notwendig
„Im allgemeinen ist die Therapie mit liposomalem Cytarabin gut verträglich, jedoch sollten zur
Arachnoiditis-Prophylaxe 4 mg Dexamethason zweimal täglich über 5 Tage nach der intrathekalen Therapie
gegeben werden“, sagte Glas und verwies auf eine größere retrospektive Fallserie zur Neurotoxizität der
intrathekalen Therapie leptomeningealer Metastasen (Chamberlain M et al. J Neurooncol 2012;109:143-8).
„Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Radiatio und liposomales Cytarabin sicher kombiniert werden können“,
so Glas. Die Rolle neuer Ansätze wie die intrathekale Antikörpertherapie mit Rituximab oder Trastuzumab ist
aufgrund der spärlichen Datenlage noch unklar. „Eines unserer Probleme ist die weiche Evidenz, auf die wir
uns therapeutisch stützen müssen. In der Vergangenheit mussten viele Studienzentren wegen schlechter
Rekrutierung geschlossen werden. Derzeit sind wir mit der Unterstützung von Mundipharma dabei, ein
Meningeosisnetzwerk zur Durchführung klinischer Studien aufzubauen“, sagte Glas abschließend.
Osteoonkologie: Therapeutischer Nutzen von Denosumab
„Knochenmetastasen können das Leben zur Hölle machen“, erklärte Prof. Dr. Ingo Diel, Mannheim.
Skelettale Komplikationen sind vergesellschaftet mit der Überlebenszeit, verlängerten Krankenhausaufenthalten
und hohen Kosten für das Gesundheitssystem. Für den Patienten bedeuteten sie vor allem eine Einschränkung
ihrer Mobilität bis hin zur Bettlägerigkeit, Verlust der Selbstständigkeit und damit Verschlechterung der
Lebensqualität.
Fünf Tumorentitäten sind für ca. 90% der Knochenmetastasen verantwortlich, die Inzidenz liegt in
Deutschland bei ca. 150.000 pro Jahr. Durch eine optimale Behandlung kann das Auftreten einer skelettalen
Komplikation verringert oder verzögert werden. „Das Behandlungsziel ist in dem Fall nicht die Verlängerung
des Überlebens. Ziel ist es, möglichst wenig Zeit mit skelettalen Komplikationen leben zu müssen, also
eine Verlängerung der symptomfreien Zeit“, konstatierte Diel. Das oberste Behandlungsprinzip sei die
Kenntnis und der Einsatz aller therapeutischen Möglichkeiten. Die optimale Behandlung der Knochenmetastasen
schließt NSARs (nichtsteroidale Antirheumatika) bei geringen Schmerzen sowie Opioide und Opiate bei starken
Schmerzen ein, des Weiteren Radionuklide, die Radiotherapie als Standard auch bei asymptomatischen Läsionen,
Operationen bei lokaler Begrenzung und Frakturgefahr sowie die antiosteolytische Therapie mit Bisphosphonaten
und Denosumab.
Denosumab verlängert signifikant die Zeit bis zur ersten Knochenkomplikation
Denosumab ist ein voll humaner monoklonaler Antikörper mit hoher Affinität und hoher Spezifität zum
RANK-Liganden (RANKL). In drei randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-III-Zulassungsstudien mit
insgesamt mehr als 5.700 Patienten mit Knochenmetastasen wurden Denosumab plus Placebo versus Zoledronsäure
plus Placebo verglichen. Die Zeit bis zur ersten skelettbezogenen Komplikation (SRE) wurde im Denosumab-Arm
um 8,2 Monate signifikant verlängert, was einer Risikoreduktion um 17% entspricht (HR=0,83; p<0,0001)
(Lipton A et al. Eur J Cancer 2012;48:3082). Es traten insgesamt kumulativ weniger SRE unter Denosumab
auf, wobei die Zeit bis zum Auftreten der ersten wie auch ersten und folgenden Komplikationen unabhängig
vom Typus der Komplikation und auch unabhängig vom Tumortyp verzögert wurde.
Häufig sind Knochenschmerzen das erste Symptom bei Knochenmetastasen, erklärte Diel. Knochenschmerzen
gehen einher mit eingeschränkter Lebensqualität, mit Immobilität, Krankenhausaufenthalten und Arztbesuchen.
Somit kann mit einer Schmerzprävention die Lebensqualität erhalten bleiben, wie auch eine explorative
Analyse der Denosumab-Zulassungsstudien zeigte (Cleeland CS et al. Cancer 2013;119:832). Die Zeit bis zum
Auftreten moderater oder starker Schmerzen (> 4 Punkte) bei Patienten mit leichten oder ohne Schmerzen (0-4)
zu Studienbeginn betrug im Median 5,8 Monate unter Zoledronsäure versus 9,7 Monate unter Denosumab (HR=0,78; p=0,0024).
Die Lebensqualität, gemessen mit dem FACT-G (Functional Assessment of Cancer Therapy General )-Score,
sank im Denosumab-Arm langsamer bei Patienten, die mit Zoledronsäure behandelt wurden.
Hypokalzämien traten unter Denosumab häufiger auf (9,6% vs. 5,0%), unter Zoledronsäure kam es häufiger
zu Akute-Phase-Reaktionen (20,2% vs. 8,7%) (Lipton A, et al. Poster presented at ESMO 2010, Abstract 1249P).
Nierenfunktionsstörungen wirken sich nicht auf die Pharmakokinetik von Denosumab aus, da Denosumab im
Gegensatz zu Zoledronsäure nicht über die Niere, sondern über das retikuloendotheliale System ausgeschieden
wird.
Febrile Neutropenien können tödlich sein oder den Therapieerfolg gefährden
Die bei der febrilen Neutropenie (FN) vorliegenden Infektionen führen zur Hospitalisierung der Patienten,
gravierender können aber die langfristigen Folgen der Chemotherapie-induzierten Neutropenien sein. „Durch
die notwendigen Dosisreduktionen und/oder Therapieverzögerungen reduziert sich die Wirksamkeit der Chemotherapie.
Sinkt die relative Dosisintensität (RDI) unter 85%, hat das einen negativen Einfluss auf das Überleben“,
sagte PD Dr. med. Marcel Reiser, Köln. Ein geringeres Gesamtüberleben aufgrund einer verringerten Dosisintensität
konnte beispielsweise für Patientinnen mit primärem Mammakarzinom (Chirivella I et al. Breast Cancer Res Treat 2009;114:479-84)
und für Patienten mit diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (Bosly A et al. Ann Hematol 2008;87:277-83) gezeigt werden.
„Die Erhöhung der Mortalität lässt sich insbesondere bei Patienten mit FN und mindestens einer ernsten Komorbidität
wie beispielsweise einer Herzinsuffizienz oder einer COPD beobachten“, sagte Reiser und verwies auf die Arbeit von
Kuderer et al., die diesen Zusammenhang bei einem Patienten nachgewiesen hatte (Kuderer NM et al. Cancer 2006;106:2258-66).
Auch eine auf dem diesjährigen Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellte retrospektive
Analyse von über 12.000 Patienten mit Mamma- oder Bronchialkarzinom oder Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) bestätigte die
Erhöhung der Mortalität durch die FN (Kawatkar AA et al. J Clin Oncol 32:5s, 2014 (suppl; abstr 6604).
FN-Prophylaxe muss mit dem ersten Chemotherapiezyklus erfolgen
„Problematisch ist, dass G-CSF in der täglichen Praxis erst nach dem ersten Chemotherapiezyklus gegeben wird,
nachdem es beim Patienten zu einer Neutropenie gekommen ist. Dieses Vorgehen ist aber durch die uns vorliegenden
empirischen Daten nicht zu rechtfertigen“, sagte Reiser. So zeigen repräsentative Daten von 2.500 Tumorpatienten,
dass das Risiko einer FN im ersten Chemotherapiezyklus am höchsten ist (Lyman GH et al. Cancer 2011;117:1917-27).
Auch die aktuellen Leitlinien der EORTC, ASCO und der DGHO sowie des NCCN empfehlen in Abhängigkeit von der
Intensität der Chemotherapie und den individuellen Risikofaktoren den prophylaktischen Einsatz von G-CSF ab
dem ersten Zyklus. Hierbei ist im Unterschied zu konventionellem G-CSF beim Einsatz von pegyliertem G-CSF (Pegfilgrastim)
die einmalige Gabe pro Chemotherapiezyklus ausreichend.
Mangelhafte Umsetzung der Leitlinien zur FN-Prophylaxe
Eine repräsentative Umfrage der ASORS zur Umsetzung der Leitlinien der EORTC zur Neutropenieprophylaxe bei
Chemotherapie im deutschen Praxisalltag zeigte, dass die Leitlinien nicht bei allen Tumorentitäten in gleichem
Maße umgesetzt werden (Link H et al. Onkologie 2013;36 (suppl 7; Abstr. P275). Bei Patienten mit Bronchialkarzinom
wird der Standard bei Chemotherapien mit hohem und intermediärem FN-Risiko bei der großen Mehrheit der Patienten
nicht erfüllt. Patienten mit malignen Lymphomen oder Mammakarzinomen hingegen erhalten mehrheitlich eine dem
Standard entsprechende FN-Prophylaxe. Auch eine auf dem ASCO 2014 vorgestellte retrospektive Analyse der Daten
von 1.000 Onkologen und Hämatologen in 230 US-amerikanischen Praxen untersuchte den Einsatz vom G-CSF bei
Patienten mit verschiedenen Tumorentitäten. Es zeigte sich, dass Dosisverzögerungen und –reduktionen sowie
eine Reduktion der relativen Dosisintensität bei Mammakarzinompatientinnen seltener auftraten als bei den
Patienten mit Ovarial- oder Bronchialkarzinomen sowie bei Patienten mit Non-Hodgkin- und Hodgkin-Lymphomen
(Bhor M et al. J Clin Oncol 32:5s, 2014 (suppl; abstr 9606). Bei 80% der NSCLC-Patienten lag die RDI unter 85%.
„Vor dem Hintergrund, dass die Chemotherapien (neo)adjuvant, also mit kurativer Intention, durchgeführt
wurden, sind die erfassten Dosisreduktionen inakzeptabel“, kommentierte Reiser. Eine andere auf dem ASCO
vorgestellte Beobachtungsstudie an 56 Zentren in den USA bestätigte, dass das tatsächliche FN-Risiko im
ersten Chemotherapiezyklus und die ärztliche Einschätzung desselben häufig differieren
(Lyman GH et al. J Clin Oncol 32:5s, 2014 (suppl; abstr 9607). Eine europäische Ärztebefragung in Deutschland,
Frankreich, Italien, Spanien und dem UK zeigte, dass nur 7,5% der 34.106 erfassten Chemotherapiepatienten G-CSF
erhielten. Die meisten der mit G-CSF behandelten Patienten hatten ein NHL (28%) oder ein Mammakarzinom (20%)
(Anger C et al. J Clin Oncol 32, 2014 (suppl; abstr e20718). „Bei den soliden Tumoren wurde der Befragung
zufolge bei der Mehrheit der mit G-CSF behandelten Patienten, nämlich bei 53%, Pegfilgrastim eingesetzt,
was sicherlich zum einen der sehr guten Studienlage und zum anderen den Vorteilen durch die nur einmalige
Anwendung geschuldet ist“, kommentierte Reiser. Von den Patienten mit hämatologischen Neoplasien erhielten
in der europäischen Umfrage 38% den G-CSF Pegfilgrastim. „G-CSF sollte bei vorliegendem Risiko prophylaktisch
vor dem ersten Chemotherapiezyklus, gegeben werden. Würden die aktuellen internationalen Leitlinien konsequent
und differenziert umgesetzt, wäre schon viel gewonnen“, appellierte Reiser.
Problem Erbrechen weitgehend gelöst - aber Übelkeit muss besser kontrolliert werden
Eine Herausforderung in der Therapie der Chemotherapie-induzierten Übelkeit und Erbrechen (CINV) ist
derzeit die Kontrolle der Übelkeit nach Chemotherapie. „Die über Tage anhaltende Übelkeit ist etwas, das
die Patienten stark belastet und leider ein Problem, gegen das wir bisher nicht immer erfolgreich angehen
können“, konstatierte Dr. med. Franziska Jahn, Halle. Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse einer auf
dem Jahreskongress der ASCO und der Multinational Association of Supportive Care in Cancer (MASCC) vorgestellten
Studie zur Fixkombination von Palonosetron mit dem neuen NK1-RA (Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonist) Netupitant
in einer Tablette (NEPA) besonders wichtig. Aapro et al. untersuchten in einer internationalen randomisierten,
doppelblinden Phase-III-Studie NEPA über multiple Zyklen einer Anthrazyklin plus Cyclophosphamid (AC)-haltigen
moderat emetogenen Chemotherapie (MEC) (Aapro M et al. J Clin Oncol 2014; 32:5s (suppl; abstr. 9502);
Aapro M et al. Supp Care Cancer 2014; 22 (Suppl 1): S108, Abstract 0160). Bei 1.286 Chemotherapie-naiven
Patienten wurde die antiemetische Prophylaxe über mehrere Therapiezyklen hinweg ausgewertet. Über alle Zyklen
der Chemotherapie zeigte sich die überlegene komplette Kontrolle von NEPA gegenüber Palonosetron über die
Gesamtphase (0-120 h nach der Chemotherapie). „Besonders wichtig ist aber, dass durch NEPA auch die Übelkeit
über die multiplen Zyklen der Chemotherapie besser kontrolliert wurde“, kommentierte Jahn und betonte, dass
gemäß der Studie mit einer einzigen Gabe NEPA in Kombination mit Dexamethason am Tag 1 der Chemotherapie
eine ausreichende und leitlinienkonforme Antiemese über multiple Zyklen einer AC-basierten Chemotherapie
sichergestellt werden könne. Die gepoolten Daten zur Verträglichkeit von NEPA aus vier randomisierten,
doppelblinden, internationalen klinischen Phase-II- und III-Studien mit insgesamt 3.280 ausgewerteten
Patienten bestätigten das gute Verträglichkeitsprofil der Fixkombination, das über multiple Chemotherapiezyklen
hinweg ähnlich war (Aapro M et al. Supp Care Cancer 2014; 22 (Suppl 1): S112, Abstract 0158). „Es wird erwartet,
dass die Kombination in Europa 2015 zugelassen wird“, sagte Jahn. Dass Ingwer bei Patienten, die
eine moderat bis hoch emetogene Chemotherapie (HEC) erhalten, als sinnvolles Add-on zu einem 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten
(5-HT3-RA) und Dexamethason in der Antiemese eingesetzt werden kann, bestätigte eine thailändische Phase-II-Studie
bei 87 Patienten (Konmun J et al. J Clin Oncol 32:5s, 2014 (suppl; abstr 9647).
Palonosetron plus eintägige Dexamethason-Gabe kann bei MEC ausreichen
Alle aktuellen antiemetischen Leitlinien empfehlen bei MEC Palonosetron als einziges oder zu bevorzugendes
Setron in Kombination mit einer dreitägigen Gabe von Dexamethason. Nun wurden Studien vorgestellt, die zeigten,
dass bei MEC eine nur eintägige Gabe von Dexamethason ausreichend sein könnte, wenn Palonosetron eingesetzt wird.
Eine auf dem ASCO präsentierte japanische prospektiv randomisierte Phase-II-Studie demonstrierte bei 88
Chemotherapie-naiven Patientinnen, dass bei Verwendung von Palonosetron als 5-HT3-RA auf die Applikation
des Kortikosteroids an den Folgetagen der MEC mit Paclitaxel und Carboplatin ohne signifikante Auswirkungen
auf die Complete Response in der akuten und in der verzögerten Phase verzichtet werden kann
(Furukawa N et al. J Clin Oncol 2014; 32:5s (suppl; abstr. 9608). Dies bestätigte auch eine auf
dem MASCC gezeigte japanische Phase-III-Studie (Isobe H et al. Supp Care Cancer 2014; 22 (Suppl 1):S102, Abstract 0163).
Jahn verwies in diesem Zusammenhang auf eine weitere Studie, die bereits gezeigt hatte, dass bei
Einsatz von Palonosetron die Gabe von Dexamethason auf einen Tag verkürzt werden und so die Antiemese
in der verzögerten Phase optimiert werden kann (Celio L et al. Support Care Cancer 2013;21:565-73).
Einen möglichen Hinweis, dass die eintägige Prophylaxe mit Palonosetron und Dexamethason sogar bei
mehrtägiger Platin-basierter Chemotherapie über multiple Zyklen ausreicht, lieferte eine einarmige
griechische retrospektive Analyse (Kiagia M et al. Supp Care Cancer 2014; 22 (Suppl 1): S103, Abstract 0283).
Neubewertung des Emetogenitätsrisikos von Carboplatin notwendig?
Bei Cisplatin-basierter Chemotherapie empfehlen internationale Leitlinien eine Dreifachantiemse bestehend
aus NK1-RA, 5-HT3-RA und Dexamethason. Zu der Frage, ob sich diese Empfehlung auch auf andere Platin-haltige
Chemotherapien erstrecken sollte, untersuchten Jordan et al. die Daten der Untergruppe der 149 mit Carboplatin
behandelten Patienten aus einer prospektiven Phase-III-Studie, die jeweils an Tag 1 eine Einmalgabe NEPA
zusammen mit Dexamethason erhalten hatten (Jordan K et al. Supp Care Cancer 2014; 22 (Suppl 1): S107, Abstract 0162).
Die Komplettansprechrate der mit NEPA behandelten Patienten im Gesamtzeitraum betrug im Zyklus 1 80% und
stieg in den Zyklen 2-4 auf 91%, 92% und 94 % an. Auch Gralla et al. hatten bereits einen Vorteil für die
Dreifachantiemese mit NK1-RA bei mit Carboplatin behandelten Patienten beobachtet
(Gralla R et al. J Clin Oncol 2010;28:15s (suppl; abstr 9057). Jahn sprach sich für eine Neubewertung des
emetogenen Potentials von Carboplatin und folglich für die Empfehlung einer Dreifachantiemse auch bei
Carboplatin-basierter Chemotherapie aus. Langfristiges Ziel sei eine Antiemese nach dem Prinzip „all on day 1“,
mit der sich den Leitlinienempfehlungen entsprechen und die Compliance verbessern lasse, sagte
Professor Petra Feyer, Berlin. „Palonosetron zeigt sich gegenüber den früheren Setronen weiterhin als
deutlich überlegen und trägt entscheidend dazu bei, dass mit einer geringeren Medikamentengabe wie der
Reduktion der Kortikosteroide eine gleichwertige antiemetische Prophylaxe erzielt werden kann“, sagte
Jahn abschließend.
Bericht: Dr. Ine Schmale, Westerburg
Mascha Pömmerl, Feldkirchen-Westerham
Quelle: 26. Münchener Fachpresse-Workshop der POMME-med GmbH am 10. Juli 2014 in München
August 2014
Literaturreferate
Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs
Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs