Bericht vom 30. Münchener Fachpresse-Workshop
Mammakarzinom: Klinisch relevante Studiendaten von aktuellen Kongressen

Anlässlich des 30. Münchener Fachpresse-Workshops berichtete Prof. Michael Untch, Berlin, dass nab-Paclitaxel als das bevorzugte Taxan bei der Behandlung des triple-negativen Mammakarzinoms (TNBC) gilt und in Carboplatin mittlerweile einen guten Kombinationspartner gefunden hat. Aufgrund der hohen Raten an homologer rekombinanter Defizienz und den häufig auftretenden hereditären und somatischen BRCA-Mutationen beim TNBC eröffneten sich für die Zukunft weitere Therapieoptionen, so Untch.

Neue Behandlungsoptionen für Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom

15 bis 20 Prozent aller Brustkrebspatientinnen sind an einem triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) erkrankt, einer besonders aggressiven Variante des Brustkrebses, bei der das Tumorgewebe weder Hormon- und Progesteron- noch HER2/neu-Rezeptoren aufweist. Eine „targeted therapy“, die auf diese Rezeptoren zielt, ist deshalb nicht möglich. Wie Prof. Michael Untch, Berlin, in seinem Vortrag berichtete, sind vor allem jüngere Frauen von dieser Erkrankung betroffen.

Die therapeutischen Möglichkeiten beim TNBC bestehen vor allem in der Chemotherapie. Die Studie von Sparano, vorgestellt beim San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2014 [1] habe in dieser Hinsicht einen neuen Standard definiert, so Untch. Die Studie hatte die Wirksamkeit verschiedener Taxanregime bei rund 5000 nodalpositiven oder Hochrisiko-nodalnegativen Patientinnen mit Mammakarzinom, darunter etwa 1000 mit TNBC, untersucht. Die Frauen erhielten adjuvant 4 Zyklen von Doxorubicin und Cyclophosphamid (AC) alle drei Wochen, gefolgt von entweder Paclitaxel oder Docetaxel, jeweils entweder drei- oder einwöchentlich. Nach 10 Jahren hatten die Patientinnen, die einmal wöchentlich Paclitaxel (Paclitaxel weekly) erhalten hatten, einen Überlebensvorteil von rund 10% gegenüber den auf andere Weise behandelten Frauen (Gesamtüberlebenswahrscheinlichkeit 75,1% vs. 65,6% bzw. 68,7% bzw. 68,6%). „Das ist für triple-negative Patientinnen eine ganze Menge“, sagte Untch.

Die aktuellen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) e.V., Kommission Mamma, empfehlen, bei bestehender Indikation zur Chemotherapie zunächst eine neoadjuvante Verabreichung zu erwägen, betonte Untch. Gerade die Patientinnen mit TNBC profitierten von einer neoadjuvanten Chemotherapie und zudem sei durch die neoadjuvante Verabreichung in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum eine Aussage über einen möglichen Benefit unter einer bestimmten Medikation möglich, so Untch. Die Empfehlung der AGO, die ein Alleinstellungsmerkmal in internationalen Leitlinien darstellt, beruht laut Untch auf einer Metaanalyse von 12 neoadjuvanten Studien mit fast 12.000 Patientinnen [2]. Diese hatte ergeben, dass Patientinnen mit TNBC, die eine pathologische Komplettremission nach neoadjuvanter Therapie erreichen, sehr gute Langzeitüberlebensraten zeigen. Im Gegensatz dazu haben Frauen, die nach neoadjuvanter Chemotherapie noch Tumorresiduen in Brust und Lymphknoten aufweisen, ein schlechtes Outcome. „Für diese Patientinnen müssen wir etwas tun“, sagte der Berliner Gynäkoonkologe.

Nab-Paclitaxel bevorzugtes Taxan bei TNBC

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist laut Untch die GeparSepto-Studie, eine prospektive randomisierte Studie bei etwa 1.200 Frauen mit frühem Brustkrebs, die die neoadjuvante Verabreichung von konventionellem Paclitaxel und nab-Paclitaxel jeweils wöchentlich über 12 Wochen verglich, jeweils gefolgt von Epirubicin/Cyclophosphamid (EC) bzw. Trastuzumab/Pertuzumab bei Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs [3]. Nach weniger als zwei Jahren zeigte sich, dass die komplette Remissionsrate unter nab-Paclitaxel in der Gesamtpopulation um absolut 9% besser war als unter konventionellem Paclitaxel. Die Subgruppenanalyse ergab zudem, dass der Benefit für die Frauen mit TNBC besonders ausgeprägt war: Die Rate an kompletten Remissionen stieg bei diesen Patientinnen von 25,7 auf 48,2% (p<0,001), wurde also nahezu verdoppelt. „Das bedeutet, dass der gute Standard Paclitaxel weekly bei dieser hochaggressiven Form des Mammakarzinoms durch nab-Paclitaxel deutlich getoppt wurde“, so Untch.

Ideales Gespann: nab-Paclitaxel plus Carboplatin

Als idealer Kombinationspartner für nab-Paclitaxel bei Frauen mit TNBC hat sich Carboplatin erwiesen – eine Substanz, die schon seit rund 30 Jahren bekannt ist, aber erst heute ihr Potenzial bei dieser speziellen Form des Mammakarzinoms entfaltet. Eine Auswertung der ADAPT-Studie, vorgestellt beim ASCO 2015, ergab, dass nab-Paclitaxel in der Kombination mit Carboplatin bei Patientinnen mit TNBC zu einer doppelt so hohen Rate an pathologischen Komplettremissionen führt wie nab-Paclitaxel in der Kombination mit Gemcitabin [4]. Untch: „Wir haben jetzt mit Carboplatin einen guten Partner für das nab-Paclitaxel bei triple-negativen Patientinnen gefunden“. Dies habe sich auch in der amerikanischen Studie CALGB40603 bestätigt. Bereits heute könne man sagen: „Triple-negatives Karzinom: Platin ist ein neuer Standard für die neoadjuvante Behandlung.“ Dies sei auch so in die aktuellen AGO-Leitlinien eingegangen. Ob Platin auch bei Patientinnen mit metastasiertem TNBC einen Stellenwert hat, werde derzeit in der Studie tnAcity überprüft [5], so Untch.

Dass triple-negative Tumoren so gut auf Carboplatin ansprechen, begründete Untch damit, dass ein hoher Anteil dieser Tumoren eine homologe rekombinante Defizienz (HR-Defizienz) aufweist. Eine Analyse von triple-negativen Tumorproben der GeparSixto-Studie hat ergeben, dass bei 70% der betroffenen Patientinnen eine HR-Defizienz vorliegt, die mit einer Platinsensitivität einhergeht [6]. „Wir sprechen von einer Verdoppelung der pathologischen Komplettremissionen unter einer HR-Defizienz“, sagte Untch. 20% der triple-negativen Patientinnen weisen zudem eine Keimbahnmutation im BRCA-Gen und 30% eine somatische BRCA-Mutation im Tumor auf, wobei die BRCA-Mutationen oft überlappend mit einer HR-Defizienz auftreten. In dieser Hinsicht verspricht sich Untch zukünftig viel von einer neuen Gruppe von Wirksubstanzen, den PARP-Inhibitoren, die bereits bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom und nachgewiesener BRCA-Mutation Anwendung finden. „HR-Defizienz und BRCA-Mutationen bieten uns neue und effektive Möglichkeiten, das triple-negative Mammakarzinom therapeutisch anzugehen“, fasste Untch zusammen. Speziell der Einsatz von Carboplatin sollte aber stets von einer effektiven Supportivtherapie flankiert sein. „Eine Dreifachantiemese ist Pflicht beim Platin“, sagte Untch.

Zum Abschluss seines Vortrags wies der Berliner Gynäkoonkologe noch auf die vielversprechenden Möglichkeiten der Immuntherapie mit PD1-/PD-L1-Checkpoint-Inhibitoren beim TNBC hin. Untersuchungen hätten ergeben, dass die PD1/PD-L1-Expression beim TNBC hochsignifikant mit dem Ansprechen auf eine Chemotherapie assoziiert ist. Welche Möglichkeiten die Immuntherapie beim TNBC biete, werde derzeit in Studien untersucht, darunter zwei deutsche Studien.

Dr. Claudia Schöllmann, Grasbrunn

Quelle: Fachpresse-Workshop der POMME-med GmbH am 21. Juli 2015 in München

Literatur:

[1] Sparano JA et al. Cancer Res 2014; 74 (Suppl.):Abstract nr. S3-03
[2]Cortazar P et al. Lancet. 2014;384(9938):164-72.
[3] Untch M et al. Cancer Res 2014; 74 (Suppl.):Abstract nr. S2-07
[4] Harbeck N et al. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 506).
[5] Yardley DA et al. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr TPS1106).
[6] Von Minckwitz G et al. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 1004).


August 2015

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Vulväre intraepitheliale Neoplasie
Präinvasive genitale Läsionen mit erheblich ange stiegener Inzidenzrate

Literaturreferate
GeparQuattro-Studie:
Neoadjuvante Therapie mit Trastuzu-mab bei HER2-positivem Brustkrebs

Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs

Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs