Neue Behandlungsoptionen für Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom
15 bis 20 Prozent aller Brustkrebspatientinnen sind an einem triple-negativen Mammakarzinom (TNBC)
erkrankt, einer besonders aggressiven Variante des Brustkrebses, bei der das Tumorgewebe weder Hormon- und
Progesteron- noch HER2/neu-Rezeptoren aufweist. Eine „targeted therapy“, die auf diese Rezeptoren zielt,
ist deshalb nicht möglich. Wie Prof. Michael Untch, Berlin, in seinem Vortrag berichtete, sind vor allem
jüngere Frauen von dieser Erkrankung betroffen.
Die therapeutischen Möglichkeiten beim TNBC bestehen vor allem in der Chemotherapie. Die Studie
von Sparano, vorgestellt beim San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2014 [1] habe in dieser
Hinsicht einen neuen Standard definiert, so Untch. Die Studie hatte die Wirksamkeit verschiedener
Taxanregime bei rund 5000 nodalpositiven oder Hochrisiko-nodalnegativen Patientinnen mit
Mammakarzinom, darunter etwa 1000 mit TNBC, untersucht. Die Frauen erhielten adjuvant 4 Zyklen
von Doxorubicin und Cyclophosphamid (AC) alle drei Wochen, gefolgt von entweder Paclitaxel oder
Docetaxel, jeweils entweder drei- oder einwöchentlich. Nach 10 Jahren hatten die Patientinnen,
die einmal wöchentlich Paclitaxel (Paclitaxel weekly) erhalten hatten, einen Überlebensvorteil
von rund 10% gegenüber den auf andere Weise behandelten Frauen (Gesamtüberlebenswahrscheinlichkeit
75,1% vs. 65,6% bzw. 68,7% bzw. 68,6%). „Das ist für triple-negative Patientinnen eine ganze Menge“,
sagte Untch.
Die aktuellen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) e.V.,
Kommission Mamma, empfehlen, bei bestehender Indikation zur Chemotherapie zunächst eine
neoadjuvante Verabreichung zu erwägen, betonte Untch. Gerade die Patientinnen mit TNBC
profitierten von einer neoadjuvanten Chemotherapie und zudem sei durch die neoadjuvante
Verabreichung in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum eine Aussage über einen möglichen
Benefit unter einer bestimmten Medikation möglich, so Untch. Die Empfehlung der AGO, die
ein Alleinstellungsmerkmal in internationalen Leitlinien darstellt, beruht laut Untch auf
einer Metaanalyse von 12 neoadjuvanten Studien mit fast 12.000 Patientinnen [2]. Diese hatte
ergeben, dass Patientinnen mit TNBC, die eine pathologische Komplettremission nach neoadjuvanter
Therapie erreichen, sehr gute Langzeitüberlebensraten zeigen. Im Gegensatz dazu haben Frauen,
die nach neoadjuvanter Chemotherapie noch Tumorresiduen in Brust und Lymphknoten aufweisen,
ein schlechtes Outcome. „Für diese Patientinnen müssen wir etwas tun“, sagte der Berliner
Gynäkoonkologe.
Nab-Paclitaxel bevorzugtes Taxan bei TNBC
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist laut Untch die GeparSepto-Studie, eine prospektive
randomisierte Studie bei etwa 1.200 Frauen mit frühem Brustkrebs, die die neoadjuvante
Verabreichung von konventionellem Paclitaxel und nab-Paclitaxel jeweils wöchentlich über
12 Wochen verglich, jeweils gefolgt von Epirubicin/Cyclophosphamid (EC) bzw. Trastuzumab/Pertuzumab
bei Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs [3]. Nach weniger als zwei Jahren zeigte sich, dass
die komplette Remissionsrate unter nab-Paclitaxel in der Gesamtpopulation um absolut 9%
besser war als unter konventionellem Paclitaxel. Die Subgruppenanalyse ergab zudem, dass
der Benefit für die Frauen mit TNBC besonders ausgeprägt war: Die Rate an kompletten Remissionen
stieg bei diesen Patientinnen von 25,7 auf 48,2% (p<0,001), wurde also nahezu verdoppelt.
„Das bedeutet, dass der gute Standard Paclitaxel weekly bei dieser hochaggressiven Form des
Mammakarzinoms durch nab-Paclitaxel deutlich getoppt wurde“, so Untch.
Ideales Gespann: nab-Paclitaxel plus Carboplatin
Als idealer Kombinationspartner für nab-Paclitaxel bei Frauen mit TNBC hat sich Carboplatin
erwiesen – eine Substanz, die schon seit rund 30 Jahren bekannt ist, aber erst heute ihr
Potenzial bei dieser speziellen Form des Mammakarzinoms entfaltet. Eine Auswertung der
ADAPT-Studie, vorgestellt beim ASCO 2015, ergab, dass nab-Paclitaxel in der Kombination
mit Carboplatin bei Patientinnen mit TNBC zu einer doppelt so hohen Rate an pathologischen
Komplettremissionen führt wie nab-Paclitaxel in der Kombination mit Gemcitabin [4]. Untch:
„Wir haben jetzt mit Carboplatin einen guten Partner für das nab-Paclitaxel bei triple-negativen
Patientinnen gefunden“. Dies habe sich auch in der amerikanischen Studie CALGB40603 bestätigt.
Bereits heute könne man sagen: „Triple-negatives Karzinom: Platin ist ein neuer Standard für
die neoadjuvante Behandlung.“ Dies sei auch so in die aktuellen AGO-Leitlinien eingegangen.
Ob Platin auch bei Patientinnen mit metastasiertem TNBC einen Stellenwert hat, werde derzeit
in der Studie tnAcity überprüft [5], so Untch.
Dass triple-negative Tumoren so gut auf Carboplatin ansprechen, begründete Untch damit,
dass ein hoher Anteil dieser Tumoren eine homologe rekombinante Defizienz (HR-Defizienz)
aufweist. Eine Analyse von triple-negativen Tumorproben der GeparSixto-Studie hat ergeben,
dass bei 70% der betroffenen Patientinnen eine HR-Defizienz vorliegt, die mit einer
Platinsensitivität einhergeht [6]. „Wir sprechen von einer Verdoppelung der pathologischen
Komplettremissionen unter einer HR-Defizienz“, sagte Untch. 20% der triple-negativen
Patientinnen weisen zudem eine Keimbahnmutation im BRCA-Gen und 30% eine somatische
BRCA-Mutation im Tumor auf, wobei die BRCA-Mutationen oft überlappend mit einer
HR-Defizienz auftreten. In dieser Hinsicht verspricht sich Untch zukünftig viel von
einer neuen Gruppe von Wirksubstanzen, den PARP-Inhibitoren, die bereits bei Patientinnen
mit Ovarialkarzinom und nachgewiesener BRCA-Mutation Anwendung finden. „HR-Defizienz und
BRCA-Mutationen bieten uns neue und effektive Möglichkeiten, das triple-negative
Mammakarzinom therapeutisch anzugehen“, fasste Untch zusammen. Speziell der Einsatz
von Carboplatin sollte aber stets von einer effektiven Supportivtherapie flankiert sein.
„Eine Dreifachantiemese ist Pflicht beim Platin“, sagte Untch.
Zum Abschluss seines Vortrags wies der Berliner Gynäkoonkologe noch auf die
vielversprechenden Möglichkeiten der Immuntherapie mit PD1-/PD-L1-Checkpoint-Inhibitoren
beim TNBC hin. Untersuchungen hätten ergeben, dass die PD1/PD-L1-Expression beim TNBC
hochsignifikant mit dem Ansprechen auf eine Chemotherapie assoziiert ist. Welche Möglichkeiten
die Immuntherapie beim TNBC biete, werde derzeit in Studien untersucht, darunter zwei deutsche
Studien.
Dr. Claudia Schöllmann, Grasbrunn
Quelle: Fachpresse-Workshop der POMME-med GmbH am 21. Juli 2015 in München Literatur:
[1] Sparano JA et al. Cancer Res 2014; 74 (Suppl.):Abstract nr. S3-03
[2]Cortazar P et al. Lancet. 2014;384(9938):164-72.
[3] Untch M et al. Cancer Res 2014; 74 (Suppl.):Abstract nr. S2-07
[4] Harbeck N et al. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 506).
[5] Yardley DA et al. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr TPS1106).
[6] Von Minckwitz G et al. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 1004).
August 2015 |
Literaturreferate
Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs
Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs