FOKO 2013: "Krankenkassen vergeuden bei Brustkrebs 100 Mio Euro pro Jahr und schaden den Patientinnen"


Seit vielen Jahren gibt es für die Behandlung von Brustkrebs Leitlinien, die von den wissenschaftlichen Fachgesellschaften immer weiter entwickelt werden. Sie haben dazu geführt, dass Brustkrebspatientinnen nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis einheitlich behandelt werden können. Die Verfeinerung der gynäkologischen und pathologischen Untersuchungsmethoden hat in den letzten Jahren zu der Erkenntnis geführt, dass Brustkrebs keine einheitliche Erkrankung ist, sondern in verschiedene Subtypen aufgegliedert werden kann.

Der Subtyp, von dem zahlenmäßig bei weitem die meisten Patientinnen betroffen sind, ist der so genannte luminale Brustkrebs. Er wird in etwa zwei Drittel aller Brustkrebsfälle diagnostiziert. Mit Hilfe weiterer Untersuchungsmethoden lassen sich die Patientinnen mit luminalem Brustkrebs drei Risikogruppen zuordnen, mit niedrigem, mittleren und hohem Risiko, dass der Tumor nach der Erstbehandlung wieder auftritt.

Patientinnen mit hohem Risiko werden heute fast immer mit einer aggressiven Chemotherapie behandelt; Patientinnen mit niedrigem Risiko genügt dagegen meist die weitaus schonendere und deutlich kostengünstigere anti-hormonelle Therapie. Für die Patientinnen der mittleren Risikogruppe - immerhin ca. 40% aller Frauen mit Brustkrebs - geben die Behandlungsleitlinien dagegen meist keine sichere Handreichung, wie optimal behandelt werden kann. Um ein Wiederauftreten des Tumors sicherer verhindern zu können, empfehlen Ärzte deswegen oftmals eine Chemotherapie, wobei man weiß, dass dies in über 80% der Fälle unnötig ist, die Patientin nicht unerheblichen Nebenwirkungen und der Gefahr einer dauerhaften Beeinträchtigung ihrer Gesundheit aussetzt.

Lebensrettende Chemotherapie gezielt einsetzen

Neue diagnostische Methoden erlauben es heute, das Risiko eines Wiederauftretens des Tumors besser bestimmen zu können, als dies noch vor wenigen Jahren möglich war und so Chemotherapie gezielter einzusetzen. Hierzu wird die Aktivität von Genen im Tumor der Patientinnen gemessen. Die Methoden erlauben es so, Patientinnen eine Chemotherapie zu ersparen, die diese objektiv nicht benötigen - umgekehrt aber auch Patientinnen einer gegebenenfalls lebensrettenden Chemotherapie zuzuführen, die diese ansonsten nicht erhalten hätten. Diese Erkenntnisse aus einer Studie der Frauenklinik der Technischen Universität München um Prof. Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik, wurden bei der diesjährigen St. Gallen Konsensus-Konferenz präsentiert und auf dem Fortbildungskongress FOKO 2013 der Frauenärztlichen BundesAkademie auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf vorgestellt. Zur Messung der Genaktivität kam der EndoPredict®-Test zum Einsatz. Dieser Test wurde in Deutschland entwickelt und ist seit ca. 18 Monaten in vielen Brustzentren in Deutschland und der Schweiz für die Patientinnen verfügbar.

Die Forscher konnten zeigen, dass durch Einsatz des EndoPredict® bei 20% aller Patientinnen auf eine bereits geplante Chemotherapie verzichtet werden konnte. Bei 5% der Patientinnen ergab sich, dass eine Chemotherapie angezeigt war, die auf der Grundlage der üblichen diagnostischen Methoden unterblieben wäre. "Diese Ergebnisse", so Prof. Kiechle, "haben eine außerordentliche Bedeutung: Vielen Patientinnen können wir auf diese Weise die erheblichen Belastungen einer sinnlosen Chemotherapie ersparen und gleichzeitig eine nicht kleine Zahl der Frauen effektiver behandeln und vielleicht sogar vor dem Tod durch ihren Tumor bewahren."

Mai 2013: Neue Studienergebnisse erwartet

Interessant sind auch die wirtschaftlichen Folgen des Einsatzes des EndoPredict®. Eine Studie von Forschergruppen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland, die im Mai 2013 bei der IMPAKT Brustkrebskongress in Brüssel veröffentlich werden wird, ergab, dass der Einsatz des EndoPredict dem Gesundheitssystem effektiv Geld sparen wird: Ein konsequenter Einsatz des Tests bei den Patientinnen würde es erlauben, Chemotherapie gezielter einzusetzen und so im Mittel über € 3.000 pro Patientin einzusparen - und dies bei verbesserter Lebensqualität der betroffenen Frauen.

"Rechnet man diese Zahlen", so Prof. Kiechle, "auf Deutschland hoch, so bedeutet das nicht nur, dass wir vielen tausenden Patientinnen eine unnötige Chemotherapie ersparen könnten und zumindest mehreren hundert eine deutlich verbesserte Chance geben würden, ihren Tumor zu besiegen. Es würde zusätzlich im deutschen Gesundheitssystem fast 100 Millionen Euro Kosten im Jahr effektiv einsparen. Vor diesem Hintergrund", meint Prof. Kiechle, "ist das Zögern der Krankenkassen, diese echte Innovation für die Frauen mit Brustkrebs in den gesetzlichen Leistungskatalog aufzunehmen, kaum mehr zu verstehen."

Quelle: Frauenärztliche Bundesakademie FBA GmbH, Fortbildungskongress FOKO 2013

März 2013

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Vulväre intraepitheliale Neoplasie
Präinvasive genitale Läsionen mit erheblich ange stiegener Inzidenzrate

Literaturreferate
GeparQuattro-Studie:
Neoadjuvante Therapie mit Trastuzu-mab bei HER2-positivem Brustkrebs

Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs

Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs