In den letzten Jahren wurde die operative Entfernung der Lymphknoten bei Brustkrebs immer weiter
eingeschränkt, da die Eingriffe das Leben der Frauen nicht verlängerten. Prof. Dr. med. Wilfried
Budach (Düsseldorf), Mitglied der DEGRO-Arbeitsgruppe Mammakarzinom:
„Indirekte Hinweise ließen uns aber vermuten, dass eine Bestrahlung der Lymphknotenstationen
für bestimmte Patientinnengruppen Überlebensvorteile bringt.“ Die lang erwarteten Ergebnisse
einer europaweiten Studie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer
(EORTC- 22922-10925) mit über 4000 Patientinnen und 43 beteiligten Zentren scheinen dies
nun zu bestätigen: Danach führt die zusätzliche Bestrahlung zu einem statistisch signifikanten
besseren Gesamtüberleben, erklärt der Experte aus Düsseldorf.
Die Forscher um Philip Poortmans stellten die Ergebnisse der EORTC-Studie auf dem European Cancer
Congress (ECCO) am 28. September 2013 vor. An der Studie nahmen Frauen teil, bei denen der Brustkrebs
auch die Lymphknoten befallen hatte. Einschlusskriterien für die Studie waren ein Lymphknotenbefall
der Achsel und die Lage des Tumors. Nach brusterhaltender Operation – bei drei Viertel der Frauen –
erhielten die Patientinnen eine Bestrahlung der Brust. Bei Frauen, denen die Brust komplett
entfernt wurde, bestrahlten die Ärzte in 73 Prozent der Fälle die Brustwand. 99 Prozent der
nodal-positiven Patientinnen, bei denen sich also in den Lymphknoten Krebszellen fanden, und
66 Prozent der nodal-negativen Patientinnen erhielten zusätzlich eine Chemo- oder Hormontherapie.
Deren Ziel ist es, vom Tumor gestreute Mikrometastasen im ganzen Körper zu zerstören. Die Hälfte
der Frauen erhielt eine zusätzliche Bestrahlung der Lymphabflussregion oberhalb des Schlüsselbeins
und neben dem Brustbein, die andere Hälfte bekam keine Bestrahlung der Lymphabflusswege.
Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 10,9 Jahren erhöhte sich durch die zusätzliche
Bestrahlung der Lymphknoten das krankheitsfreie Überleben von 69,1 auf 72,1 Prozent (p= 0,04),
das metastasenfreie Überleben von 75 auf 78 Prozent (p= 0,02) und das Gesamtüberleben von 80,7
auf 82,3 Prozent (p= 0,056). Der Effekt der Lymphabflussbestrahlung auf das Gesamtüberleben war
statistisch signifikant (p= 0,03). Patientinnen, die eine Chemotherapie benötigten und zusätzlich
eine Hormontherapie erhalten haben, profitieren am stärksten von der Lymphabflussbestrahlung.
Professor Dr. med. Michael Baumann (Dresden), Präsident der
DEGRO betont: „Eine wichtige und aufgrund der sehr langen Nachbeobachtungszeiten sichere
Erkenntnis ist, dass es durch die zusätzliche Bestrahlung nicht zu mehr Herzschäden kommt.“
Diese Befürchtungen seien – zumindest in den ersten elf Jahren nach Strahlentherapie – unbegründet.
Der relativ kleine Überlebensvorteil von derzeit 1,6 Prozent nach über 10 Jahren wird die
Frage aufwerfen, welche Patientinnen eine komplette Lymphabflussbestrahlung routinemäßig
erhalten sollen. Professor Budach: „Dazu sind weitere Subgruppenanalysen erforderlich.“
Die neuen Erkenntnisse werden nach Einschätzung der DEGRO-Experten in die Leitlinien zur
Behandlung des Mammakarzinoms einfließen müssen und für die Behandlung einiger Patientinnengruppen
Änderungen in der Behandlungspraxis nach sich ziehen.
Die Strahlentherapie ist eine lokale, nicht-invasive, hochpräzise Behandlungsmethode mit hohen
Sicherheitsstandards und regelmäßigen Qualitätskontrollen. Bildgebende Verfahren wie die
Computer- oder Magnetresonanztomografie ermöglichen eine exakte Ortung des Krankheitsherdes,
sodass die Radioonkologen die Strahlen dann zielgenau auf das zu bestrahlende Gewebe lenken
können. Umliegendes Gewebe bleibt weitestgehend verschont.
Poortmans P, et al. 2013. Irradiation of the internal mammary and medial supraclavicular
lymph nodes in stage I to III breast cancer: 10 years results of the EORTC Radiation Oncology
and Breast Cancer Groups phase III trial 22922/10925. ECCO 2013
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e.V.
www.degro.org
Oktober 2013 |
Literaturreferate
Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs
Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs