Höchste Auszeichnung der AIO
Der Wissenschaftspreis der AIO wird jährlich einmal verliehen. Die höchste
Auszeichnung der AIO geht zu gleichen Teilen an einen Autor oder eine Autorengruppe
mit der besten Publikation zur Entstehung von Krebs und zu innovativen Entwicklungen
in der Krebsbehandlung (präklinischer Teil) bzw. zur klinischen Krebsforschung
(klinischer Teil). Der von der Firma Pfizer gestiftete Preis ist mit 15.000 Euro
dotiert.
AIO-Wissenschaftspreis 2011 Präklinischer/translationaler Teil:
Mit der wissenschaftlichen Arbeit "Stat3/Socs3 activation by IL-6 transsignaling promotes
progression of pancreatic intraepithelial neoplasia and development of pancreatic cancer",
die im Journal Cancer Cell (Cancer Cell 19, 456-469, April 12, 2011) publiziert wurde,
hatte sich PD Dr. Hana Algül für den AIO-Wissenschaftspreis 2011 beworben. Seine Bewerbung
wurde von allen Mitautoren ausdrücklich unterstützt.
Entwicklung neuer Therapiestrategien beim Pankreaskarzinom
Neben entzündlichen Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse gehört das Pankreaskarzinom
zum Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeiten. Ausgangspunkt für die nun publizierte Arbeit
war die seit langem bestehende Erkenntnis zur Bedeutung des mutierten K-RAS in der
pankreatischen Onkogenese. Diese Mutationen sind in 80-90 % der Pankreaskarzinome nachweisbar.
Deren Bedeutung konnte mit Mausmodellen eindeutig unterlegt werden. Mutiertes Kras in
pankreatischen Stammzellen führt zur Entwicklung pankreatischer intraepithelialer
Neoplasien (PanINs) und zum Pankreaskarzinom. Wenngleich mutiertes Kras eine zentrale
Rolle in der PanIN-Initiation spielt, blieben die Mechanismen der PanIN Progression
zum Karzinom bisher unklar. Mit seiner Arbeit gelang zum einen erstmalig der Nachweis
für eine wesentliche Bedeutung des "Tumormicroenvironments" für die pankreatische
Onkogenese. Insbesondere für sogenannte Tumor-assoziierte Makrophagen (TAM), die
in der Nähe von präneoplastischen Läsionen akkumulieren, konnte er mit seinem Forscherteam
zeigen, dass sie zur PanIN-Progression wesentlich beitragen. Zum zweiten wurde die
IL-6/Stat3/Socs3 Kaskade als zentrale Achse in der Verbindung von TAM mit PanINs
identifiziert. Die genetische Inaktivierung jeweils dieser Komponenten führte zu
einer Blockade der PanIN-Progression und zur Reduktion der Tumorinzidenz. Weiterhin
wurde erstmals mit dieser Arbeit die in vivo Bedeutung des alternativen IL-6 Signalwegs,
des IL-6 Transsignalings, für die Tumorentwicklung anhand des Pankreaskarzinoms belegt.
Analysen an humanen Proben zeigten auch, dass diese IL-6/Stat3/Socs3 Achse zwischen
TAM und PanIN auch beim Menschen möglicherweise besteht.
Das wissenschaftliche Kuratorium war überzeugt, dass diese Arbeit
eine begründete und aussichtsreiche Rationale für die Entwicklung neuer Therapiestrategien
beim Pankreaskarzinom leistet. Die heute verfügbaren IL-6 Antikörper oder Stat3 Inhibitoren
könnten daher relativ kurzfristig in kontrollierten Studien zur adjuvanten und palliativen
Therapie des Pankreaskarzinoms eingesetzt und überprüft werden.
AIO-Wissenschaftspreis 2011 klinischer Teil
Mit der wissenschaftlichen Arbeit "Reduced Treatment Intensity in Patients with
Early-Stage Hodgkin's Lymphoma ", die im New England Journal of Medicine
(N Engl J Med. 2010 Aug 12;363(7):640-52) publiziert wurde, hatte sich Prof. Andreas Engert
für den klinischen Teil des AIO-Wissenschaftspreis 2011 beworben. Seine Bewerbung wurde
von allen Mitautoren ausdrücklich unterstützt.
Minimierung der Behandlungsintensität bei Patienten mit Hodgkin-Lymphom im Frühstadium
Da große Unklarheiten bestanden, ob es möglich ist, die Behandlungsintensität bei
Patienten mit Hodgkin-Lymphom im Frühstadium (Stadien I oder II) mit dennoch guter
Prognose zu reduzieren, wurde eine randomisierte Multicenter-Studie initiiert, in
welcher vier Behandlungsgruppen, bestehend aus einem Kombinationschemotherapie-Protokoll
zweier verschiedener Intensitäten, gefolgt von Involved-field Strahlentherapie mit zwei
verschiedenen Dosisstufen miteinander verglichen wurden.
Es wurden 1.370 Patienten mit erstmals diagnostiziertem Hodgkin-Lymphom im Frühstadium
und günstiger Prognose nach dem Zufallsprinzip einer von vier Behandlungsgruppen zugeordnet:
vier Zyklen von Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin, und Dacarbazin (ABVD), gefolgt
von einer Strahlentherapie mit 30 Gy (Gruppe 1), vier Zyklen ABVD gefolgt von
Strahlentherapie mit 20 Gy (Gruppe 2), zwei Zyklen ABVD gefolgt von Strahlentherapie
mit 30 Gy (Gruppe 3), beziehungsweise zwei Zyklen ABVD gefolgt von Strahlentherapie
mit 20 Gy (Gruppe 4). Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Versagen der Primärtherapie
(FFTF, Freedom from Treatment Failure); sekundäre Endpunkte betrafen Wirksamkeit
und Toxizität der Behandlung.
Im Ergebnis der Studie wurde kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden
Chemotherapieprotokollen in Bezug auf FFTF (p=0,39) oder Gesamtüberleben (p=0,61)
festgestellt. Nach 5 Jahren betrugen die FFTF-Raten beim Vier-Zyklen-ABVD Protokoll
93,0% (95% Konfidenzintervall [CI], 90,5 bis 94,8) und 91,1% (95% CI, 88,3 bis 93,2)
beim Zwei-Zyklen-Protokoll. Ebenfalls gab es keinen signifikanten Unterschied beim
Vergleich der Wirkung der Strahlentherapie mit Dosen von 20 Gy und 30 Gy hinsichtlich
FFTF (p=1,00) oder Gesamtüberleben (p=0,61). Unerwünschte Nebenwirkungen und
akute toxische Wirkungen der Behandlung waren bei jenen Patienten am häufigsten,
die vier Zyklen ABVD und Strahlentherapie mit 30 Gy erhalten hatten (Gruppe 1).
Fazit:
Bei Patienten mit Hodgkin-Lymphom im Frühstadium und günstiger
Prognose ist eine Behandlung mit zwei Zyklen ABVD gefolgt von involved-field
Strahlentherapie mit 20 Gy ebenso effizient und zugleich weniger toxisch als
vier Zyklen ABVD gefolgt von involved-field Strahlentherapie mit 30 Gy. Auch
wenn die Langzeitwirkungen dieser Behandlungen bislang nicht vollständig bewertet
wurden, stellt dieses Forschungsergebnis eindrucksvoll dar, dass die Effizienz
einer minimierten Behandlungsintensität beim Hodgkin-Lymphom genauso zu bewerten
ist, wie die bisher angewandten Therapieoptionen.
Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) in der
Deutschen Krebsgesellschaft e.V.
November 2011 |
Literaturreferate
Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs
Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs