Hohes Potenzial von nab-Paclitaxel beim Mammakarzinom und anderen soliden Tumoren


Um hydrophobe Zytostatika wasserlöslich und damit infundierbar zu machen, wurden bisher Solventien wie Cremophor EL benötigt. Sie besitzen jedoch nicht nur einen negativen Einfluss auf die Pharmakokinetik der Wirkstoffe, sondern tragen auch wesentlich zu den Toxizitäten der Behandlung sowie Hypersensitivitätsreaktionen bei. Wie Experten auf einer von Celgene durchgeführten Pressekonferenz erläuterten, sind diese Probleme mittlerweile durch die nab-Technologie vermeidbar, bei der die Zytostatika in Albumin-Nanopartikel eingeschlossen werden, die sie gezielt zum Tumor transportieren. Mit nab-Paclitaxel, auch bezeichnet als Paclitaxel-Albumin (Abraxane®), wurde 2008 ein erster in dieser Formulierung vorliegender Wirkstoff in der EU zur Therapie des metastasierten Mammakarzinoms zugelassen. Studien beim lokal fortgeschrittenen und metastasierten Brustkrebs zeigten kürzlich zudem das Potenzial des Wirkstoffs in der Kombinationstherapie dieser Indikationen. Darüber hinaus sind eine Reihe weiterer Studien aktiv, in denen nab-Paclitaxel bei anderen soliden Tumoren wie dem NSCLC oder dem Pancreas-Ca untersucht wird.

Die Taxane Paclitaxel und Docetaxel spielen seit Jahren eine wesentliche Rolle in der Tumortherapie. Aufgrund ihrer extrem hydrophoben Natur, benötigt man jedoch Lösungsmittel wie Cremophor EL oder Tween 80, um sie infundierbar zu machen. Wie Professor Dr. Andreas Schneeweiss (Heidelberg) ausführte, bringt dies diverse Nachteile mit sich, die das eigentliche Potenzial der Zytostatika limitieren. So bewirken die Solventien etwa eine nicht-lineare Pharmakokinetik der Taxane, wodurch eine Steigerung der Standarddosis nur eine höhere Toxizität, nicht aber eine größerer Effektivität zur Folge hat [1]. „Gleichzeitig tragen die Lösungsmittel selbst zu Toxizitäten wie Neuropathie und Neutropenie bei“, so Schneeweiss. „Und ihr Einsatz macht auch eine Prämedikation gegen Hypersensitivitätsreaktionen zwingend erforderlich.“

nab-Technologie – gezielter Wirkstofftransport durch Albumin

Mit der Zulassung von nab-Paclitaxel wurde es möglich, diese Probleme der Taxantherapie zu vermeiden. Seine Entwicklung beruht auf dem Einsatz der nab(nanoparticle albumin-bound)-Technologie, bei der der Wirkstoff in Albumin-Nanopartikel von etwa 130 nm Durchmesser eingeschlossen wird. „Die natürlichen Eigenschaften von Albumin als Transportprotein für wasserunlösliche Substanzen im Blut sorgen dafür, dass der Wirkstoff nach der Infusion der Nanopartikel gezielt zum Tumor transportiert und dort angereichert wird“, erläuterte Schneeweiss. „Durch diese Optimierung des Wirkstofftransports kann neben einer höheren Effektivität auch eine bessere Verträglichkeit erreicht werden.“ Bei diesem gezielten Transport docken die Albumin-Partikel zunächst an die gp60-Rezeptoren von Endothelzellen an. Über die Aktivierung von Caveolin-1 führt dies zur Internalisierung des Albumin-Rezeptor-Komplexes in Membranvesikel, die durch die Endothelzelle geschleust werden und so ins Interstitium des Tumors gelangen [2]. Hier reichern sich Albumin und der daran gebundene Wirkstoff an, wobei unter anderem das spezifisch albuminbindende Protein SPARC eine zentrale Rolle spielt, das von vielen Tumorarten überexprimiert wird [3].

Schneeweiss erläuterte, dass dieser Transportmechanismus eine lineare Pharmakokinetik von nab-Paclitaxel bewirkt, sodass bei Bedarf eine Dosissteigerung im klinisch wirksamen Bereich (135-300 mg/m2) erfolgen könne [4]. Außerdem werde die Infusion deutlich einfacher. „Statt sonst 3 h kann nab-Paclitaxel in nur 30 min infundiert werden, wobei keine Prämedikation gegen allergische Reaktionen notwendig ist, und keine speziellen lösungsmittelbeständigen Materialen benötigt werden“, so der Experte abschließend.

Zulassungsstudie zeigt Überlegenheit gegenüber herkömmlichem Paclitaxel

Die Zulassung von nab-Paclitaxel ist in der EU umfasst die Behandlung des metastasierenden Mammakarzinoms bei erwachsenen Patienten, bei denen die Erstlinientherapie für metastasierende Krankheit fehlgeschlagen ist und für die eine standardmäßige Anthrazyklin-enthaltende Therapie nicht angezeigt ist. Entscheidend hierfür war eine internationale Phase-III-Studie, in der 460 Patientinnen mit nachweisbaren MBC entweder alle drei Wochen 260 mg/m2 nab-Paclitaxel oder lösungsmittelbasiertes Paclitaxel in der Standarddosierung von 175 mg/m2 erhielten [3]. Wie Prof. Christian Jackisch (Offenbach), erläuterte, bewirkte nab-Paclitaxel in diesem direkten Vergleich nicht nur ein signifikant besseres Gesamtansprechen (33 vs. 19%, p=0,001), sondern verlängerte auch die mediane progressionsfreie Zeit deutlich (23,0 vs. 16,9 Wochen, p=0,006). Darüber hinaus verbesserte nab-Paclitaxel bei Patientinnen in der Sekundärtherapie oder einer späteren Behandlungslinie auch das Gesamtüberleben signifikant (56,4 vs. 46,7 Wochen, p=0,024), was bisher noch für keine Substanz beim MBC gezeigt werden konnte. Bei den 351 Patientinnen, die zuvor eine adjuvante oder gegen Metastasen gerichtete Anthrazyklin-Vorbehandlung erhalten hatten, ergab eine retrospektive Analyse ebenfalls klare Vorteile für nab-Paclitaxel [5]. Dies galt sowohl für das Gesamtansprechen (34 vs. 18%, p=0,002) und die Zeit bis zur Krankheitsprogression (23,0 vs. 16,6 Wochen, p=0,004) als auch für das Gesamtüberleben (65 vs. 52,4 Wochen, p=0,049). „Bemerkenswert hierbei war“, so Prof. Jackisch, „dass trotz einer um 49% höheren Dosierung des Wirkstoffs nab-Paclitaxel die Sicherheitsprofile beider Behandlungsarme im Wesentlichen vergleichbar waren.“ In der mit herkömmlichen Paclitaxel behandelten Gruppe kam es jedoch signifikant häufiger zu Neutropenien vom Grad 4 (22% vs. 9%; p <0,001). Hingegen bewirkte die höhere Paclitaxel-Dosis im Abraxane®-Arm eine höhere Inzidenz sensorischer Neuropathien vom Grad 3 als im Vergleichsarm (10% vs. 2%; p <0,001)3, die jedoch rascher reversibel waren (im Median 22 Tage vs. 79 Tage unter herkömmlichem Paclitaxel).

Wöchentliche Dosierung wirksamer

Mittlerweile belegt eine Phase-II-Studie, dass die wöchentliche Applikation von nab-Paclitaxel bei guter Verträglichkeit sogar noch wirksamer ist als die dreiwöchentliche Gabe [6]. In der vierarmigen Studie erhielten 300 nicht-vorbehandelte MBC-Patientinnen nab-Paclitaxel entweder wöchentlich in einer Dosierung von 100 bzw 150 mg/m2, oder wurden in dreiwöchigen Abständen mit diesem Wirkstoff (300 mg/m2) bzw. mit Docetaxel (100 mg/m2) behandelt. „Hierbei zeigte sich mit 74% das beste Gesamtansprechen unter der wöchentlichen 150 mg-Dosierung von nab-Paclitaxel, unter der mit 91% auch die meisten Patienten eine von den Studienärzten bestätigte Krankheitskontrolle (CR, PR oder SD) über mehr als 16 Wochen erreichten“, erläuterte Jackisch. Im Vergleich zu Docetaxel ermöglichte diese Dosierung zudem ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben (14,6 vs. 7,8 Monate, p=0,012).

Weitere Einsatzbereiche werden untersucht

Professor Dr. Stefan Glück (Miami) hob hervor, dass nab-Paclitaxel in der Therapie des lokal fortgeschrittenen und des metastasierten Mammakarzinoms ein hervorragender Kombinationspartner sei, worauf u.a. mehrere kürzlich veröffentlichte Phase-II-Studien hinweisen. So zeigten zwei dieser Untersuchungen, dass die wöchentliche Gabe des Wirkstoffs in Kombination mit Trastuzumab bzw. Carboplatin und Trastuzumab in der Primärtherapie des HER-2-positiven MBC hocheffektiv ist [7, 8]. In der Kombination mit Gemcitabin und Bevacizumab gelte dies offenbar auch bei HER-2-negativem MBC, erläuterte Glück [9]. Ähnlich gute Erfahrungen liegen in der neoadjuvanten Situation vor, wo die Kombination von nab-Paclitaxel mit Bevacizumab und Epirubicin, bzw. die sequenzielle Gabe des Wirkstoffs vor einer FEC-Behandlung (5-Fluorouracil/Epirubicin/Cyclophosphamid) bereits ermutigende Ergebnisse zeigten [10, 11].

Neben den Untersuchungen beim Mammakarzinom, sind zurzeit eine Reihe weiterer Studien aktiv, in denen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von nab-Paclitaxel bei anderen soliden Tumoren erforscht wird. Wie Glück betonte, sind einige dieser Studien bereits in der Phase III, wie etwa eine Studie zur First-Line-Therapie des fortgeschrittenen NSCLC, in der Carboplatin jeweils mit nab-Paclitaxel oder herkömmlichem Paclitaxel kombiniert wird. Weitere Untersuchungen der Phase III umfassen den Vergleich von nab-Paclitaxel mit Dacarbazin beim metastasierten malignen Melanom sowie die Kombination von Gemcitabin und wöchentlichem nab-Paclitaxel gegen eine Gemcitabin-Monotherapie beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom.

Literatur:
[1] Weiss RB. 1990. J Clin Oncol 8:1263-1268
[2] Kiessling F. et al. 2002. Invest Radiol 37:193-198
[3] Gradishar WJ. 2006. Expert Opin Pharmacother 7:1041-1053
[4] Ibrahim NK. et al. 2002. Clin Cancer Res 81038-1044
[5] Davidson N. et al. 2008. European Breast Cancer Conference 2008, Berlin, Abstract 569
[6] Gradishar W. J. et al. 2009. JCO 27:3611-3619
[7] Mirtsching B, et al. 2011. Clinical Breast Cancer; DOI: 10.3816/CBC.2011.n011
[8] Conlin AK, et al. 2010. Clinical Breast Cancer 10:281-287
[9] Lobo C. et al. 2010. Breast Cancer Res Treat 123:427-435
[10] Yardley DA, et al. 2010. Clinical Breast Cancer 10:E16-E21
[11] Robidoux A, et al. 2010. Clinical Breast Cancer 10:81-86

Quelle:
Pressekonferenz „Intelligent verpackt – besonders wirksam: Abraxane® (nab-Paclitaxel) zur Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms" am 19. Mai 2011 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Celgene, München.


Mai 2011

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Vulväre intraepitheliale Neoplasie
Präinvasive genitale Läsionen mit erheblich ange stiegener Inzidenzrate

Literaturreferate
GeparQuattro-Studie:
Neoadjuvante Therapie mit Trastuzu-mab bei HER2-positivem Brustkrebs

Capecitabin zu Anthrazyklin- und Taxan-basierter neoadjuvanter Therapie bei primärem Brustkrebs

Paclitaxel dosisdicht bei fortgeschrittenem Ovarialkrebs