Epitheliale Ovarialkarzinome – Wo haben sie ihren Ursprung und was ist der erste Schritt in der Tumorigenese?


    Ovarialkrebs ist eine sehr heterogene Krankheit. In der Mehrzahl der Fälle lassen sich frühe Stadien, die Aussicht auf Heilung hätten, nicht entdecken. Unter den epithelialen Tumoren sind insbesondere die histologisch ungünstigen serösen Ovarialkarzinome, die sich bei ihrer Entdeckung ausnahmslos bereits über benachbarte peritoneale Oberflächen ausgebreitet haben, mit einer sehr hohen Letalität behaftet. Demzufolge finden sich seröse Karzinome im Becken in unterschiedlicher Lokalisation der ovariellen Oberfläche (einschließlich „Müller“-Inklusionszysten), dem distalen Tubenepithel und der peritonealen Auskleidung. Von solchen pelvinen serösen Karzinomen wird heute vielfach angenommen, dass sie Varianten ein und desselben malignen Tumors sein könnten. Ihre Entwicklungsbiologie ist aktuell Gegenstand intensiver Forschungstätigkeit. So wurde in den letzten Jahren insbesondere gezeigt, dass die Ovarien vielfach nicht der Entstehungsort seröser Ovarialkarzinome sind, und der Begriff Ovarialkrebs vielfach auf ovarielle Metastasen eines anderen im Becken lokalisierten primären serösen Karzinoms angewandt wird. Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen aus molekularbiologischen Studien und klinischen wie auch histopathologischen Befunden haben dazu geführt, dass ein neues Modell der Pathogenese von Ovarialkrebs mit zwei unterschiedlichen Entwicklungsgängen entwickelt wurde.

Zweistufiges Systems für epitheliale Ovarialkarzinome
    Nach dem neuen Modell der ovariellen Karzinogenese lassen sich nach Kurman et al. (2008) alle epithelialen Tumoren der ovariellen Oberfläche nach histologischen Gesichtspunkten in zwei Gruppen mit deutlich unterschiedlicher Aggressivität einteilen [1, 2]:

    Typ I umfasst endometroide, muzinöse, Klarzell- und gut differenzierte mikropapilläre, seröse Karzinome, die vorwiegend in der ovariellen Rindenzone entdeckt werden, häufig auf eine oder zwei Zysten beschränkt sind, und deren Entwicklung oft „gemächlich“ stufenweise aus gut charakterisierten Vorstufen von benigne zu maligne voranschreitet. Diese Tumoren zeichnen sich durch relative genetische Stabilität aus. Definierte Mutationen treten in bestimmten Onkogenen und Tumorsuppressor-Genen auf.

    Zu Typ II zählen mäßig und schlecht differenzierte seröse Karzinome, von denen die meisten auf der ovariellen Oberfläche entdeckt werden, und bei denen häufig die Tuben, die Mesenterien und das Omentum involviert sind. Ferner gehören auch maligne gemischte mesodermale Tumoren und undifferenzierte Karzinome in die Gruppe der Typ-II-Tumoren. Kennzeichnend für diese Tumoren sind Auftauchen „wie aus dem Nichts“, rasantes Wachstum, p53-Mutationen und genetische Instabilität.

    Die Propagierung eines zweistufigen Systems für Ovarialkarzinome, das nur noch zwischen gut und schlecht differenzierten Tumoren unterscheidet – wie es bereits Malpica et al. (2004) anhand der Bewertung zytologischer Atypien für ausschließlich seröse Ovarialkarzinome angeregt hatten [3] – wird auch durch Untersuchungen von Vang et al. (2008) unterstützt. Deren Ergebnisse legen nahe, dass die traditionelle Untergruppierung in mäßig (G2) und schlecht differenzierte (G3) Tumoren biologisch nicht valide ist. Es ließen sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich Häufigkeit von Mutationen im Tumorsuppressor-Gen p53 und extremer Chemoresistenz (extreme drug resistance = EDR) feststellen [4]. Im Gegensatz dazu haben gut differenzierte mikropapilläre seröse Karzinome unterschiedliche molekulargenetische und klinische Merkmale sowie differente EDR-Profile, was die Einstufung als eigenständige Tumorentitäten rechtfertigt [5].

Molekulare Signaturen bei epitelialer Karzinogenese lassen zwei unterschiedliche Entwicklungsgänge erkennen
    Auch mithilfe von Expressionsprofilen des gesamten Genoms konnte für Ovarialkarzinome eine solide molekulare Basis geschaffen werden, in der sich die Unterschiede in der Histologie und im Tumorgrad widerspiegeln. In einem ausführlichen Review geben Farley et al. (2008) Einblicke in moderne molekulargenetische Arbeitsmethoden und referieren Arbeiten, in denen gezeigt wird, dass Gene, die eine Rolle bei Zellproliferation, Invasion, Motilität, chomosomaler Instabilität und Stummschalten von Genen spielen, in serösen Karzinomen niederen und hohen Grades differenziell exprimiert werden. Das sind starke Indizien dafür, dass sich niedriggradige und hochgradige Ovarialtumoren auf unterschiedlichen „Schienen“ entwickeln [6].

    Verschiedene genetische Faktoren der endometroiden, Klarzell- und mukösen Tumoren sind in Tabelle 1 aufgeführt [7]. Vielfach kommt Mikrosatelliteninstabilität hinzu. Allerdings nehmen die unter Typ I aufgeführten relativ seltenen Klarzellkarzinome eine Sonderstellung ein. Sie stehen zwar häufig im Zusammenhang mit Vorläufer-Läsionen wie Endometriose und Klarzell-Borderlinetumoren und weisen auch keinen hohen Grad an genetischer Instabilität auf, doch sie sind fast immer schlecht differenziert, so dass sie eigentlich weder richtig zu Typ I noch zu Typ II gehören.

    Seröse Karzinome vom Typ I entstehen im Ovar. Es finden sich zumeist K-ras- und andere Mutationen, nicht aber Mutationen im Tumorsuppressor-Gen p53. Der Tumor besteht aus einer Mischung von Zellen mit sekretorischen und ziliaren Differenzierungsmerkmalen. Im Gegensatz dazu sind in serösen Karzinomen vom Typ-II p53-Mutationen regelmäßig nachgewiesen worden. Die Angaben hierzu schwanken zwischen 50 % und 80 %. Den höchsten Anteil an p53-Mutationen identifizierten jüngst Salani et al. (2008) mit 80,3 % in DNA-Proben aus affinitätsgereinigten Zellen von 71 hochgradigen serösen Ovarialkarzinomen [8]. Sie fanden darüber hinaus, dass p53 nicht direkt in die Entwicklung von Chemoresistenz involviert ist.

    Bei der Suche nach initialen Ereignissen in der Karzinogenese von schlecht differenzierten serösen Tumoren ist man auf einen Prozess gestoßen, der als p53-Signatur bezeichnet wird. Dessen Merkmale sind [7]:

    • Lokalisation in Fimbrien >80 %
    • Intensive Immunoreaktivität
    • Sekretorische Zellen betroffen
    • Nachweis von Doppelstrangbrüchen über g-H2AX
    • Hoher Anteil an p53-Mutationen
    • Gelegentlich Verbindung mit malignem Epithel.
    Dieses frühe genetische Merkmal, von dem angenommen wird, dass mit ihm die seröse Karzinogenese schlecht differenzierter Tumoren in Gang kommt, steht offenbar nicht mit den Ovarien im Zusammenhang. Folkins et al. (2008) fanden keine p53-Signaturen in „Müller“-Inklusionszysten. Hingegen waren sie bei Breast Cancer (BRCA)-Mutation-positiven Frauen häufig in der Tube nachzuweisen [9].

    Die frühesten erkennbaren neoplastischen Veränderungen wurden auch in intraepithelialen Tubenkarzinomen beschrieben. Sie zeigen sekretorische oder undifferenzierte Zellen ohne Zilien, d.h. im Gegensatz zu gut differenzierten serösen Tumoren sind die schlecht differenzierten Tumoren dadurch gekennzeichnet, dass ihnen die Fähigkeit zur Ausdifferenzierung in Zilien-tragende Zellen verloren gegangen ist.

Wo sind pelvine seröse Karzinome primär lokalisiert?
    Schlecht differenzierte seröse Ovarialkarzinome sind mit einer sehr hohen Letalität behaftet. Das ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass sie sich bei ihrer Entdeckung praktisch ausnahmslos bereits über benachbarte peritoneale Oberflächen ausgebreitet haben. Wird der Tumor entdeckt, lässt sich die primäre Lokalisation oft nicht mehr feststellen. Daher richten sich Histopathologen bei der Klassifizierung von ovariellen, tubaren und primär peritonealen serösen Karzinomen gegenwärtig nach der Verteilung der Tumoren auf vorgenannte Strukturen und das Vorhandensein bzw. Fehlen von Vorläufer-Läsionen (Tabelle 2). Letzteres können intraepitheliale Karzinome oder prädisponierende Veränderungen wie endometroide Zysten, Zystadenome und Borderlinetumoren sein.

    Intraepitheliale Karzinome bei serösen ovariellen und peritonealen Tumoren wurden selten identifiziert. Das ist zumindest ein indirektes Indiz dafür, dass Ovarialkarzinome ihren Ursprung gar nicht in den Ovarien haben, sondern sich unter Umständen primär in der distalen Tube entwickeln. Bestätigt sich das, sind unter Umständen dramatische Veränderungen in den wissenschaftlichen Fragestellungen sowie auch im klinischen Umgang mit dieser Krankheit zu erwarten.

    In den letzten Jahren nahm die Forschungsaktivität auf dem Gebiet der serösen Karzinogenese wieder richtig Fahrt auf, wobei insbesondere Indizien für die Entstehung von Ovarialkrebs auch in der Tube angehäuft wurden (Tabelle 3) [10-15]. Ferner impliziert die Lokalisation schlecht differenzierter seröser Karzinome in Ovar, Tube und Peritoneum mit zahlreichen auffälligen klinischen und molekulargenetischen Übereinstimmungen, dass es sich um Varianten derselben Tumor­entität handeln könnte. Am wenigsten ist bislang die Einbeziehung der peritonealen Karzinome gesichert. Allerdings kommen „Müller“-Inklusionen in Form von Endosalpingiose und Endometriose auch im Peritoneum häufig vor.

    Es gibt eine Reihe von Gründen, die es wichtig erscheinen lassen, Klarheit über die Ursprungsorte und den Entwicklungsgang pelviner seröser Karzinome zu schaffen [10]: (1) Ihre Aufklärung ist Voraussetzung für mögliche Strategien zur Prävention und frühen Entdeckung von Ovarialkrebs. (2) Prophylaktische operative Eingriffe bei Trägerinnen von Mutationen in Suszeptibilitätsgenen (BRCA1, BRCA2) sollten sich auf die Gewebe mit dem höchsten malignen Entartungsrisiko konzentrieren. (3) Eine gezielte Probenentnahme für histopathologische Untersuchungen erfordert die genaue Kenntnis der Risikogewebe. (4) Erst wenn das Gebiet mit dem höchsten Entartungsrisiko identifiziert ist, lassen sich für den Ursprungsort realistische Inzidenzraten ermitteln.

    Kindelberger et al. (2007) analysierten die Beziehung zwischen intraepithelialen (nicht-invasiven) Tubenkarzinomen und pelvinen serösen Karzinomen. Sie untersuchten nach Salpingo-Oophorektomien die komplette Adnexe – insbesondere aber die Fimbrien – nach einem strengen Protokoll. In 41 Fällen, von denen fünf als Tuben-, sechs als peritoneale und 30 als Ovarialkarzinome klassifiziert wurden, ließen sich auch intraepitheliale Tubenkarzinome nachweisen. Fünf der intraepithelialen Tubenkarzinome und Ovarialkarzinome derselben Adnexe enthielten identische p53-Mutationen. Die Autoren folgern, dass intraepitheliale Neoplasien in der Tube ein plausibler Ursprung sowohl von von Tuben-. peritonealen als auch Ovarialkarzinomen sind [13].

    Salvador et al. (2008) wiesen chromosomale Instabilität in tubaren Vorläufer-Läsionen von serösen Karzinomen nach. Zudem berichteten sie, dass Karzinome der tubaren Mukosa und Ovarialtumoren in den meisten Fällen ähnliche genetische Anomalien aufweisen. Das deutet auf einen monoklonalen Ursprung entweder in den Ovarien, dem Peritoneum oder den Tuben hin [16].

Sonderrolle primärer seröser peritonealer Karzinome?
    Die Ansicht, schlecht differenzierte seröse Karzinome der Ovarien, der Tube und des Peritoneums seien Varianten des selben Malignoms (Krebsentität), sollte sich außer in der histopathologischen Ähnlichkeit auch klinisch in gemeinsamen Risikofaktoren widerspiegeln. Diesbezüglich hat die Australian Ovarian Cancer Study Group Risikofaktoren für Tuben- wie auch primäre Peritonealkarzinome untersucht, und diese mit denen für invasive seröse Ovarialkarzinome verglichen [17]. In dieser Fallkontrollstudie bestätigten sich die bekannten Zusammenhänge zwischen Parität, Anwendung von Kontrazeptiva, Stillperioden, Body Mass Index, Anwendung von Hormonersatztherapien, Tubensterilisation sowie Talk-Exposition und dem Risiko für serösen Ovarialkrebs. Für Tubenkarzinome ergab sich ein auffallend ähnliches Risikoprofil wie für seröse Ovarialkarzinome. Im Gegensatz dazu stand primärer Peritonealkrebs nicht mit Stillen in Verbindung, und bei Frauen, die geboren hatten, und bei adipösen Frauen stieg das Risiko für Peritonealkrebs an (Odds Ratios: 1,8; 95 % CI = 0,8-3,9 bzw. 2,1; 95 % CI = 1,3-3,4). Bei Anwendung hormoneller Kontrazeptiva sank das Krebsrisiko für alle drei Lokalisationen. Die Sonderstellung für primäre Peritonealkarzinome kann auf eine separaten Entwicklungsgang hinweisen. Hierfür sprechen auch die Ergebnisse einer aktuell erschienen Arbeit, die zeigen, dass eine ausgewählte Gruppe von kleinen, nicht-kodierenden RNA-Sequenzen mit einer Länge von ca. 22 Nukleotiden, so genannte MicroRNA (miRNA) in Tumoren herunterreguliert sind, die den Kriterien der Gynaecological Oncology Group für primäre peritoneale Karzinome entsprechen [18].

In welcher Zellpopulation findet seröse Karzinogenese statt?
    Als mögliche Kandidaten für die seröse Karzinogenese im Becken kommen die Zellen des ovariellen Oberflächenepithels, der „Müller“-Inklu­sionszysten, von Endometrioseherden und des Tubenepithels in Frage.

    Das ovarielle Oberflächenepithel auf den nicht ovulierenden Eierstöcken ist ein ortsgebundenes Mesothel, das sowohl epitheliale als auch mesenchymale Merkmale aufweist. Dementsprechend hat es die Fähigkeit beibehalten, sich in Richtung eines stromalen Phänotyps zu differenzieren. Das erfolgt als Reaktion auf Stimuli wie Ruptur (Ovulation) oder Explantation (Gewebekultur), die regenerative (Reparatur)-Prozesse auslösen. Andererseits ist das ovarielle Oberflächenepithel in der Lage, komplexe epitheliale Merkmale auszuformen, wie sie den sich von den Müller-Gängen ableitenden Epithelien (Eileiter, Endometrium, Zervix) eigen sind. Letzteres erfolgt bei metaplastischer Transformation, der Entwicklung zu benignen Tumoren und der neoplastischen Progression. Bei der ovariellen Karzinogenese entsteht nicht wie in den meisten anderen Organen im Verlauf der neoplastischen Progression ein weniger differenziertes Epithel, sondern das eher primitive ovarielle Oberflächen­epithel verliert dabei seine stromalen Eigenschaften und nimmt Charakteristika der von den Müller-Gängen abgeleiteten Epithelien an. Überwiegend entstehen seröse, d.h. tubenartige Ovarialkarzinome [19].

Was spricht für einen Ursprung seröser Karzinome im ovariellen Oberflächenepithel?
    Das ovarielle Oberflächenepithel – auch das in Inklusionszysten – galt lange Zeit als hauptsächliches, wenn nicht einziges Ursprungsgewebe von epithelialen Ovarialkarzinomen. Nach „Schulbuchweisheit“ nimmt die ovarielle Karzinogenese ihren Ursprung im ovariellen Oberflächenepithel bzw. in Inklusionszysten. Von da aus verbreitet sich der Tumor auf benachbarte Organe im Becken und der Bauchhöhle. Später siedeln sich auch Fernmetastasen ab. Argumente, die eine solche Ätiologie stützen, begründen sich im Wesentlichen auf histopathologische Indizien, entwicklungsbiologische Gesichtspunkte und Erkenntnisse an tierexperimentellen Modellen. Andererseits wurden Dysplasien und frühe Stadien hochgradiger seröser Karzinome in Verbindung mit dem ovariellen Oberflächenepithel allenfalls sporadisch beobachtet. Am häufigsten waren sie in epithelialen Einschlusszysten.

    Tubare Metaplasien des ovariellen Oberflächenepithels lassen sich morphologisch anhand der hochzylindrischen Gestalt und Zilien als Oberflächendifferenzierung sowie histochemisch anhand der Expression von E-Cadherin, CA-125 und dem Ovidukt-spezifischen Glykoprotein (OVGP) nachweisen [20]. Dass hierbei die Fähigkeit des ovariellen Oberflächenepithels, sich tubar zu differenzieren, zum Ausdruck kommt, und es sich nicht um Ablagerungen von Eileiterepithel handelt, wird durch Übergänge von nicht-spezifischem zu metaplastischem ovariellen Oberfächenepithel deutlich. Außerdem kommen solche Metaplasien am häufigsten in Inklusionszysten vor.

    Menschliches ovarielles Oberflächenepithel bildet in vitro bei einer Behandlung mit karzinogenen Substanzen maligne, ovariellen Karzinomen ähnelnde Tumoren [21]. Ob die neoplastische Transformation auch in vivo direkt aus ovariellem Oberflächenepithel hervorgehen kann, ist letztlich nicht geklärt. Denn in vivo werden metaplastische Veränderungen des ovariellen Oberflächenepithels hauptsächlich in Inklusionszysten und in Invaginationen (Krypten) vorgefunden. Letztete können sich von der Oberfläche abschnürende Zysten sein.

Welche Indizien stützen das Konzept der Entstehung seröser Karzinome im distalen Tubenepithel?
    Indizien für eine Entstehung schlecht differenzierter seröser Karzinome im distalen Ovidukt lieferten erstmals Untersuchungen der resektierten Gewebe von prophylaktisch vorgenommenen Salpingo-Oophorektomien bei Frauen mit Breast Cancer (BRCA)-Mutationen. Die Entdeckung von Dysplasien und Karzinoma in situ im Epithel der Fimbrien, nicht zugleich aber im ovariellen Oberflächenepithel führten zu dem Konzept, dass schlecht differenzierte seröse Karzinome im distalen Ovidukt entstehen können und dann ovarielle Metastasen absiedeln [13, 22].

    Die Häufigkeit, mit der frühe Tubenkarzinome im Rahmen einer prophylaktischen Salpingo-Oophorektomie vorgefunden wurden, variiert in verschiedenen Studien, in denen das Gewebematerial allerdings zum Teil auch unterschiedlich rigoros untersucht worden ist. Insgesamt wird der Tube bei BRCA-Mutation-positiven Frauen ein größeres Risiko für die Entwicklung von serösem Krebs zugeschrieben als den Ovarien.

    Medeiros et al. (2006) identifizierten die Fimbrien als häufigsten Ort früher seröser Karzinome in einer kleinen Serie von Gewebeproben aus prophylaktischen Salpingo-Oopho­rektomien bei BRCA-Mutation-positiven Patientinnen. Von 13 operierten Frauen wiesen vier die Neoplasien im Epithel der Fimbrien und eine in dem der Ampulla auf. In keinem Fall waren die Ovarien betroffen [10].

    Powell et al. (2005) fanden auf Serienschnitten von Ovarien und Tuben in sieben von 67 prophylaktischen Salpingo-Oophorektomien (10,4 %) okkulte Karzinome – vier in der Tube und drei im Ovar. In keinem Fall waren beide betroffen [23].

    Im Gegensatz dazu fanden Finch et al. (2006a) bei 490 prophylaktischen Salpingo-Oophorektomien elf okkulte Fälle (2,2%) von Krebs, von denen sieben im Ovar lokalisiert waren [24].

    Finch et al. (2006b) entdeckten bei der pathohistologischen Untersuchung der Adnexe nach 159 Salpingo-Oophorektomien bei BRCA1- und BRCA2-Mutation positiven Frauen sieben okkulte Karzinome (4,4 %). Drei davon betrafen die Tube und nicht die Ovarien [12].

    Auch Callahan et al. (2007) halten die distale Tube für den hauptsächlichen Entstehungsort schlecht differenzierter seröser Tumoren. Sie entdeckten okkulte Neoplasien bei 5,7 % der Frauen (n=122), die sich einer Operation zur Risikoreduktion von Ovarialkrebs unterzogen hatten [25].

    Aufgrund der identischen Histologie von peritonealen und hochgradigen serösen Ovarialkarzinomen ist vielfach eine Unterscheidung von Primärtumor und Metastase schwer zu treffen. In Fällen massiver Tumorlast im Peritoneum, dem Omentum und den Mesenterien bei nur geringer Beteiligung der Ovarien liegt der Verdacht nahe, dass sich ein peritoneales Karzinom auf den Ovarien abgesiedelt hat. Nach den Ergebnissen einer prospektiven Studie von Finch et al. (2006) haben Frauen mit einer Mutation im BRCA1- oder BRCA2-Gen, die sich prophylaktisch einer bilateralen Salpingo-Oophorektomie unterziehen, ein kumulatives Risiko für ein primäres peritoneales Karzinom von 4,3 % [24]. Es wurden insgesamt sieben Fälle registriert, die im Mittel fünf Jahre nach der Salpingo-Oophorektomie auftraten. Allerdings wurden drei der peritonealen Karzinome bereits innerhalb von nur drei Jahren diagnostiziert, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um Metastasen einer zum Zeitpunkt der Salpingo-Oophorektomie übersehenen subklinischen Krankheit handelte. Das hätte zur Folge, dass das Risiko für primäre peritoneale Karzinome unter Umständen doch geringer wäre.

Sind Theorien über ovarielle und tubare Karzinogenese von Ovarialkrebs nur unterschiedliche Sichtweisen desselben Phänomens?
    Die ovarielle Tumorigenese betrachten Auersperg et al. (2008) aus entwicklungsbiologischer Sicht anhand des gemeinsamen Ursprungs von extraovariellem Peritoneum, ovariellem Oberflächenepithel und Epithel des Eileiters [26]. Denn alle drei Gewebe stammen vom mesodermalen Zölom­epithel ab, das die primitive Leibeshöhle auskleidet noch bevor sich die Ovarien entwickeln. Die aus dem Zölomepithel entstandenen Epithelien bleiben bei der erwachsenen Frau trotz unterschiedlicher Strukturen und Funktionen als kontinuierliche Auskleidung bestehen, wobei die Kontinuität zwischen ovariellem Oberflächenepithel und der Tuba uterina auf ein schmales Epithelband beschränkt ist, das sich von den Fimbrien auf das Ovar erstreckt.

    Im frühest erkennbaren Entwicklungsstadium (Primordium) bilden das ovarielle Oberflächenepithel und andere sich vom Zölomepithel (Müller-Epithel) ableitende Gewebe ein nicht determiniertes, multipotentes, embryo­nales Feld. Als Reaktion auf spezifische, induktive Signale erfolgt die eindeutige Determinierung des Eileiterepithels, des Endometriums und des Zervikalepithels. Das ovarielle Oberflächenepithel verbleibt hingegen in einem primitiveren, multipotenten Zustand – vermutlich aufgrund fehlender Induktionssignale auf einer entscheidenden Stufe der Embryo­nalentwicklung. Während also das extraovarielle Peritoneum und das Epithel der Ampulla bei der erwachsenen Frau voll ausdifferenziert zu sein scheinen, verbleiben das ovarielle Oberflächenepithel und das mit ihm verbundene Epithel der distalen Fimbrien auf einer nicht voll determinierten Entwicklungsstufe.

    Histochemische Vergleiche zwischen ovariellem Oberflächenepithel, Fimbrien und Ampulla lassen einen klaren Übergang vom ovariellen Oberflächenepithel auf das Epithel der Fimbrien erkennen, das aber bezüglich der Differenzierung ohne scharfe Grenzen verläuft. Übergänge bei der Expression von Markern wie Calretinin, einem Vitamin-D-anhängigen Kalzium-bindenden Protein, finden sich sowohl auf dem ovariellen Oberflächenepithel als auch auf den Fimbrien. Ähnliche Verschiebungen sind auch für E-Cadherin nachgewiesen.

    Die Autoren verweisen darauf, dass Übergangsbereiche von einer Epithelart in eine andere – wie beispielsweise von Platten- in Säulen­epithel in der zerviko-uterinen Region – verstärkt zu neoplastischer Transformation neigen.



    Literatur:
    [1] Kurman RJ, Visvanathan K, Roden R, et al. 2008. Early detection and treatment of ovarian cancer: shifting from early stage to minimal volume of disease based on a new model of carcinogenesis. Am J Obstet Gynecol 198:351-356. Burger RA, 2008. Editorial: A new model of ovarian carcinogenesis may in­fluence early detection strategies. Am J Obstet Gynecol 198:35349-350.
    [2] Crum CP, Drapkin R, Miron A, et al. 2007. The distal fallopian tube: a new model for pelvic serous carcinogenesis. Curr Opin Obstet Gynecol 19:3-9.
    [3] Malpica A, Deavers MT, Lu K, et al. 2004. Grading ovarian serous carcinoma us­ing a two-tier system. Am J Surg Pathol 28:496–504.
    [4] Vang R, Shih I-M, Salani R, et al. 2004. Subdividing ovarian and peritoneal serous carcinoma into moderately differentiated and poorly differentiated does not have biologic validity based on molecular genetic and in vitro drug resistance data. Am J Surg Pathol 32:1667-1674.
    [5] Santillan A, Kim YW, Zahurak ML, et al. 2007. Differences of chemoresistance assay between invasive micropapillary/low-grade serous ovarian carcinoma and high-grade ser­­ous ovarian carcinoma. Int J Gynecol Can­­cer 17:601-606.
    [6] Farley J, Ozbun LL, Birrer MJ, 2008. Genomic analysis of epithelial ovarian cancer. Cell Research 18:538-548.
    [7] Jarboe EA, Folkins AK, Drapkin R, et al. 2008. Tubal and ovarian pathways to pelvic epithelial cancer: a pathological perspective. Histopathology 53:127-138.
    [8] Salani R, Kurman RJ, Giuntoli R, II, et al. 2008. Assessment of TP53 mutation using purified tissue samples of ovarian serous carcinomas reveals a higher mutation rate than previously reported and does not corre­late with drug resistance. Int J Gynecol Can­cer 18:487-491.
    [9] Folkins AK, Jarboe EA Saleemuddin A, et al. 2008. A candidate precursor to pelvic serous cancer (p53 signature) and its prevalence in ovaries and fallopian tubes from women with BRCA mutations. Gynecol Oncol 109:168-173.
    [10] Medeiros F, Muto MG, Lee Y, et al. 2006. The tubal fimbria is a preferred site for early adenocarcinoma in women with familial ovarian cancer syndrome. Am J Surg Pathol 30:230-236.
    [11] Piek JM, Kenemans P, Verheijen RH, 2004. Intraperitoneal serous adenocarcinoma: a critical appraisal of three hypotheses on its cause. Am J Obstet Gynecol 191:718-732.
    [12] Finch A, Shaw P, Rosen B, et al. 2006. Clinical and pathologic findings of prophylactic salpingo-oophorectomies in 159 BRCA1 and BRCA2 carriers. Gynecol Oncol 100:58-64.
    [13] Kindelberger DW, Lee Y, Miron A, et al. 2007. Intraepithelial carcinoma of the fimbria and pelvic serous carcinoma: evidence for a causal relationship. Am J Surg Pathol 31:161-169.
    [14] Cass I, Holschneider C, Datta N, et al. 2005. BRCA-mutation-associated fallopian tube carcinoma: a distinct clinical phenotype? Obstet Gynecol 106:1327-1334.
    [15] Lee Y, Madeiros F, Kindelberger D, et al. 2006. Advances in the recognition of tubal intraepithelial carcinoma: applications to cancer screening and the pathogenesis of ovarian cancer. Adv Anat Pathol 13:1-7.
    [16] Salvador S, Rempel A, Soslow WA, et al. 2008. Chromosomal instability in fallopian tube precursor lesions of serous carcinoma and frequent monoclonality of synchronous ovarian and fallopian tube mucosal serous carcinoma. Gynecol Oncol 110:408-417.
    [17] Jordan SJ, Green AC, Whitman DC, et al. and the Australian Ovarian Cancer Study Group. 2008. Serous ovarian, fallopian tube and primary peritoneal cancers: a comparative epidemiological analysis. Int J Cancer 122:1598-1603.
    [18] Flavin RJ, Smyth PC, Laios A, et al. 2008. Potentially important microRNA clus­­ter on chromosome 17p13.1 in primary perito­ne­al carcinoma. Mod Pathol doi:10.1038/modpathol.2008.135
    [19] Auersperg N, Wong AST, Choi K-C, et al. 2001. Ovarian surface epithelium: biology, endocrinology, and pathology. Endocr Rev 22:255-288.
    [20] Woo MM, Gilks CB, Verhage HG, et al. 2004. Oviductal glycoprotein, a new dif­fe­rentiation-based indicator present in early ovarian epithelial neoplasia and cortical inclu­sion cysts. Gynecol Oncol 93:315-319.
    [21] Liu J, Yang G, Thompson-Lanza JA, et al. 2004. A genetically defined model for human ovarian cancer. Cancer Res 64:1655-1663.
    [22] Piek JM, van Diest PJ, Zweemer RP, et al. 2001. Dysplastic changes in prophylactical­­ly removed fallopian tubes of women predispo­sed to developing ovarian cancer. J Pathol 195:451-456.
    [23] Powell CB, Kenley E, Chen L-m, et al. 2005. Risk-reducing salpingo-oopho­rectomy in BRCA mutation carriers: role of serial sec­tioning in the detection of occult malig­nancy. J Clin Oncol 23:127-132.
    [24] Finch A, Beiner M, Lubinski J, et al. for the Hereditary Ovarian Cancer Clinical Study Group. 2006. Salpingo-oophorectomy and the risk of ovarian, fallopian tube, and peritoneal cancers in women with BRCA1 or BRCA2 mutation. JAMA 296:185-192.
    [25] Callahan MJ, Crum CP, Medeiros F, et al. 2007. Primary fallopian tube malignancies in BRCA-positive women undergoing surgery for ovarian cancer risk reduction. J Clin Oncol 25:3985-3990.
    [26] Auersperg N, Woo MMM, Gilks CB, 2008. Letter to the Editor. The origin of ovarian carcinomas: A developmental view. Gynecol Oncol 110:452-454.


  Epitheliale Ovarialkarzinome – Wo haben sie ihren Ursprung und was ist der erste Schritt in der Tumorigenese?

Schlüsselwörter: Epitheliale Ovarialkarzinome, epithelialer Ovarialkrebs

 

November 2008

pdf Autor: jfs