Früher Brustkrebs – Einfluss der Tumorbiologie auf Metastasierung, Früherkennung und Rezidivierung

    Früherkennung, brusterhaltende Operation, Sentinel-Lymphknoten-Technik, adäquate lokoregionale Kontrolle und gezielt eingesetzte adjuvante systemische Therapien sind wesentliche Eckpfeiler eines modernen Brustkrebs-Managements. In den letzten Jahren haben etliche originäre Arbeiten und Metaanalysen mit ihren Ergebnissen wesentlich zur Klärung offener, oft kontrovers diskutierter Fragen – wie nach der Sinnhaftigkeit des Mammographie-Screenings und dem Überlebensvorteil durch Vermeidung von Lokalrezidiven – beigetragen. Bei einer weiteren offenen Frage, der nach der prognostischen Bedeutung von Mikrometastasen und isolierten Tumorzellen, zeichnet sich ab, dass auch Absiedelungen in Lymphknoten und im Knochenmark deutlich unterhalb der Größe von Makrometastasen klinisch relevant sind.



    Wie „systemisch“ ist Brustkrebs?
      Ob bzw. wie lange eine Mammakarzinompatientin nicht an ihrer Krankheit verstirbt, hängt davon ab, ob bzw. wie lange der Krebs daran gehindert werden kann, sich fernab des ursprünglichen Herdes anzusiedeln. Schicksalhaft stellt sich daher in jedem neu entdeckten Fall in erster Linie die Frage nach dem Metastasierungsstatus der Krankheit. Die Aussicht auf ein günstiges Ergebnis hierbei steht im Zusammenhang mit den biologischen Eigenschaften des betreffenden Tumors und denen von Brustkrebs im Allgemeinen.

      Inwieweit Früherkennung zur Senkung der Brustkrebsmortalität beitragen kann, hängt im Wesentlichen
       

      Brustkrebs ist nach heutiger Auffassung eine Krankheit, die zwar zumeist nicht primär systemisch ist, die aber zu jedem Zeitpunkt des Krankheitsverlaufs systemisch werden kann.

      davon ab, wann Brustkrebs metastasiert. Dieses Risiko liegt in der Tumorbiologie begründet. Hierzu wurden im Laufe der Zeit verschiedene Theorien entwickelt. Im ausgehenden 20. Jahrhundert setzte sich weithin die Ansicht durch, Brustkrebs sei eine systemische Krankheit – bis auf seltene Formen, denen die Fähigkeit zur Metastasierung fehlt. Demzufolge findet Metastasierung bereits zum frühest möglichen Zeitpunkt statt; d.h. praktisch mit der Tumorentstehung. Alternativ dazu wird heute eine modifizierte Theorie favorisiert. Danach erlangen Primärtumoren überwiegend erst im Laufe ihrer Entwicklung die Fähigkeit zu metastasieren. In diesem Szenario spielt es, anders als bei der fatalistischen Theorie einer originär systemischen Krankheit, eine entscheidende Rolle, den Krebs möglichst frühzeitig zu entdecken – so lange die begründete Hoffnung besteht, dass er noch keine Metastasen gestreut hat.

      Nach heutigem Verständnis der Biologie des Brustkrebses ist die Krankheit absolut sicher heilbar, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Zum einen muss die Behandlung erfolgen, bevor sich Zellen vom Tumor gelöst und entfernt haben. Zum anderen dürfen bei der Resektion keine Tumorzellen im Operationsfeld verbleiben. Dass diese Idealbedingungen vielfach nicht erfüllt sind, verdeutlicht die hohe Rezidivrate, insbesondere wenn keine zusätzliche lokale Strahlentherapie erfolgt.

      In Übereinstimmung mit der Vorstellung, Brustkrebs sei in einem frühen Stadium vielfach noch nicht systemisch, sollte von der Früherkennung eine Verbesserung der Überlebensrate zu erwarten sein. Diesbezüglich steht das Mammographie-Screening auf dem Prüfstand.

    Wird die Brustkrebsmortalität durch Mammographie-Screening gesenkt?
      Bis in die Gegenwart hinein wurde der Wert eines routinemäßigen Mammographie-Screenings zur Frühentdeckung von Brustkrebs, um durch frühzeitige Behandlung die Krankheits-assoziierte Mortalitätsrate senken zu können, immer wieder in Frage gestellt. Zum einen wurden sowohl hohe Rate an falschen Krebsdiagnosen als auch die zu hoch empfundene Rate an falsch negativen Befunden bemängelt. Andererseits standen methodologische Unzulänglichkeiten bestimmter Studien mit positivem Ergebnis im Zentrum der Kritik, die dazu führten, dass diese Studien in Metaanalysen wie insbesondere in denen von Gotzsche und Olsen bzw. Olsen und Gotzsche (2000, 2001) unterbewertet wurden [1, 2] – zu unrecht, wie ein Großteil der Leserschaft monierte.

      Offiziell hat sich in zahlreichen Ländern wie auch in Deutschland die Überzeugung durchgesetzt, Brustkrebsfrüherkennung mittels Mammographie erhöhe die Heilungschancen für die betroffenen Frauen. Beruhend auf einem Bundestagsbeschluss vom Juni 2002 wird auf der Grundlage der „Europäischen Leitlinien für Qualitätssicherung des Mammographie-Screenings“ ein Programm eingeführt, das allen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren die Teilnahme an der Röntgen-Reihenuntersuchung auf freiwilliger Basis ermöglicht.

      Rückendeckung erhält diese Entscheidung durch die mehrheitlich positiven Ergebnisse einschlägiger Untersuchungen. Insbesondere jüngst zu diesem Thema publizierte Arbeiten aus verschiedenen Ländern bestätigen den Nutzen des breiten Mammakarzinom-Screenings hinsichtlich verbesserter Mortalitätsraten [3-6].

    Komplizieren Lumpektomie und Strahlenbehandlung die mammographische Untersuchung der Brust?
      Mit brusterhaltender Therapie werden hinsichtlich der lokoregionalen Kontrolle und des Überlebens vergleichbar gute Ergebnisse erzielt wie mit der Mastektomie. Voraussetzung hierfür ist eine sorgfältige Nachbeobachtung der Patientin, um Lokalrezidive frühzeitig erkennen zu können.

      Das Screening zur Entdeckung von Lokalrezidiven bei Mammakarzinompatientinnen nach brusterhaltender Operation, die normalerweise eine Strahlentherapie erhalten haben, unterscheidet sich im Grundsatz nicht vom Screening nach einem neuen Primärkrebs in der kontralateralen Brust [7]. Zu beachten ist indes, dass nach brusterhaltender Therapie häufig unvorhersehbare mammographische Veränderungen auftreten. Das führt leider zu einer zum Teil als inakzeptabel hoch empfundenen Rate an negativen Biopsien. Deshalb fahndeten Wapiwala et al. (2007) nach Merkmalen, die als Prädiktoren für einen positiven Biopsiebefund dienen können. Als solche wurden sowohl mammographische als auch klinische Anomalien, ein jüngeres Alter bei der Brustkrebsdiagnose, Exzisions- oder Stanzbiopsien und ein größerer zeitlicher Abstand zum Abschluss der Strahlentherapie ermittelt [8].

    Haben Mammakarzinompatientinnen durch die Strahlenbehandlung ein zusätzliches Risiko für sekundären Brustkrebs?
      Freedman et al. (2005) beobachteten ipsilaterales Wiederauftreten von Brustkrebs nach konservativer Operation und anschließender Bestrahlung der Brust innerhalb der ersten Jahre vorwiegend im primär betroffenen Quadranten. Die Rezidivrate nach zehn Jahren betrug 5% und erhöhte sich nach 15 Jahren auf 7%. Solche Tumoren wurden als echte Rezidive eingestuft. Neu auftretender Brustkrebs in anderer Lokalisation der ipsilateralen Brust, der als genetisch unabhängig anzusehen ist,
       

      Das „normale“ Risiko für einen genetisch unabhängigen Brustkrebs in der ipsilateralen Brust wird durch die Strahlenbehandlung eliminiert.

      trat in den ersten Jahren nach der Behandlung relativ selten auf, erreichte innerhalb von 15 Jahren mit 6% aber in etwa das Ausmaß der echten Rezidive. In dieser Zeit hatte sich bei 13% der Patientinnen in der kontralateralen Brust ein neuer Brustkrebs entwickelt [9].

      Die Brustkrebsrate sekundärer, vom primären Karzinom genetisch unabhängiger Tumoren ist erheblich höher als die allgemein in der weiblichen Bevölkerung beobachtete Brustkrebsrate. Somit stellt sich die Frage, inwieweit sich die nach konservativer Brustkrebsbehandlung obligate Strahlenbehandlung auf das Risiko für die Entwicklung von sekundärem Brustkrebs auswirkt.

      Infolge einer Bestrahlung der Brust mit 50 Gy sind Frauen langfristig einem erhöhten strahlungsbedingten Brustkrebsrisiko ausgesetzt. Berechnungen dieses Risikos in der ipsilateralen Brust nach brusterhaltender Operation von Brenner et al. (2007) ergaben, dass praktisch das gesamte Risiko für einen genetisch unabhängigen sekundären Brustkrebs allein auf die Strahlenexposition zurückzuführen ist (Abb. 1). Das bedeutet aber auch, dass das „normale“ Risiko für einen genetisch unabhängigen Brustkrebs in der ipsilateralen Brust durch die Bestrahlung eliminiert wird. Insgesamt ergibt sich durch die Bestrahlung in der ipsilateralen Brust kein zusätzliches Risiko für sekundären Brustkrebs [10].


      Sekundäre, vom Primärtumor genetisch unabhängige Mammakarzinome treten bei Patientinnen mit einem frühen Brustkrebs nach Strahlentherapie auch gehäuft in der kontralateralen Brust auf. Berechnungen von Brenner et al. (2007) haben ergeben, dass die durchschnittliche Strahlendosis, die die gegenüberliegende Brust bei einer Bestrahlung der Brust mitbekommt, weniger als 10% beträgt und nicht ausreicht, das strahlungsbedingte Risiko signifikant zu erhöhen. Warum soll sich daher in der kontralateralen Brust von Brustkrebspatientinnen häufiger Karzinome bilden als es der Rate in der weiblichen Bevölkerung entspricht, während das entsprechende Risiko in der ipsilateralen Brust sogar praktisch nivelliert wird? Die Autoren glauben dieses scheinbare Paradoxon auf die bei Brustkrebspatientinnen von vornherein stärker ausgeprägte Suszeptibilität für Brustkrebs zurückführen zu können. In der bestrahlten ipsilateralen Brust werden prämaligne Zellen, die vor der Bestrahlung vorhanden waren, hingegen abgetötet, so dass das inhärente Brustkrebsrisiko der Patientin in dieser Brust eliminiert ist [10].

    Wird die Brustkrebsmortalität durch eine postoperative lokale Therapie gesenkt?
      Ein umfassender Überblick über den Einfluss des operativen Vorgehens und der Strahlentherapie auf die Häufigkeit von Lokalrezidiven sowie das 15-Jahres-Überleben wurde unlängst von der Early Breast Cancer Trialists´ Collaborative Group (EBCTCG) zusammengestellt [11]. Die Metaanalyse von 78 randomisierten klinischen Prüfungen macht deutlich, dass bei einer Abnahme des Risikos, innerhalb von fünf Jahren ein Lokalrezidiv zu entwickeln, das Risiko, binnen 15 Jahren am Brustkrebs zu sterben, deutlich reduziert ist. Andererseits hatten Behandlungen ohne reduzierenden Effekt auf die Rate von Lokalrezidiven nach fünf Jahren auch keinen positiven Einfluss auf die 15-Jahres-Überlebensrate, bezogen auf die mit dem Krebs assoziierte Sterblichkeit.

      In einem aktuellen Übersichtsartikel zur lokalen Therapie und Überleben bei Brustkrebs resümieren Punglia et al. (2007), dass aus den Ergebnissen zahlreicher Studien zum Mammographie-Screening und aus der EBCTCG-Metaanalyse zur lokalen Therapie die Hypothese
       

      Die lokoregionale Tumorkontrolle senkt die Rate der Lokalrezidive und verbessert die Überlebensrate signifikant [11].

      einer von Beginn an systemischen Krankheit für das Mammakarzinom eindeutig auszuschließen sei. Vielmehr kämen beim Brustkrebs verschiedene Varianten vor, die von einer in ihrem gesamten Verlauf lokal begrenzt bleibenden Krankheit bis hin zu einer früh metastasierenden Form reichen, bei der praktisch keine Chance besteht, sie in einem Stadium zu entdecken, in dem sie noch nicht systemisch ist [12].

      Neben der lokalen Therapie tritt bei frühem Brustkrebs die adjuvante systemische Therapie zunehmend in den Vordergrund. Auch durch solche Therapien – ob endokrin oder zytotoxisch – verringert sich das Risiko eines Lokalrezidivs signifikant [13]. Dieser Effekt ist deutlich stärker ausgeprägt, wenn die systemische Therapie in Kombination mit einer postoperativen Strahlentherapie erfolgt. Beispielsweise betrug die Rate ipsilateraler Lokalrezidive bei Patientinnen mit einem nodal negativen, zumeist Hormonrezeptor-positiven Brustkrebs allein mit Tamoxifen nach fünf Jahren 7,7%. Wurde zudem auch eine Strahlentherapie durchgeführt verringerte sich die Rate auf 0,6% [14].

    Warum sollte sich die Verhinderung eines Lokalrezidivs positiv auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patientin auswirken?
      Die Vorstellung, Lokalrezidive nach Brust-erhaltender Therapie bergen kein hohes Risiko, wäre doch sehr „blauäugig“. Denn nach Resektion eines als nicht metastasiert eingestuften Tumors in der Brust ist nicht davon auszugehen, dass ein eventuelles Lokalrezidiv ebenfalls eine geringe Metastasierungstendenz hat. Im Gegenteil erweisen sich lokale Rezidive im Vergleich zu erneut auftretenden Primärtumoren in der ipsilateralen Brust oft als aggressiver [15, 16].

      Demzufolge sind echte Rezidive eines behandelten Mammakarzinoms unter Umständen anders zu behandeln als genetisch unabhängig entstandene ipsilaterale Tumoren und bedürfen zumeist einer aggressiven systemischen Therapie. Doch wie soll zwischen echtem Rezidiv und Primärtumor unterschieden werden? Klinische Klassifikationen erwiesen sich hierbei als wenig aussagekräftig. Deutlich verlässlicher ist ein molekulares Klonalitäts-Assay mit dem unter Zuhilfenahme der Polymerase-Kettenreaktion ein Vergleich des Verlustes an Heterozygosität (LOH; Loss of Heterozygosity) vorgenommen wird [17].

    Welche Rolle spielen Mikrometastasen in der Tumorbiologie beim Mammakarzinom?
      Trotz aller Fortschritte bei der Früherkennung von Brustkrebs und besseren Verständnisses der molekularen Grundlagen der Tumorbiologie des Mammakarzinoms kommt es bei ca. 30% aller Brustkrebspatientinnen, deren Krankheit als noch im frühen Stadium befindlich diagnostiziert wurde, zu einem Rezidiv, das mehrheitlich bereits metastasiert hat. Doch woher stammen die Metastasen, die oft erst Jahre bis Jahrzehnte nach Diagnose und abgeschlossener Therapie bei Brustkrebspatientinnen auftreten? Die einleuchtendste Erklärung hierfür wäre, dass schlummernde Metastasen über lange Zeit im Organismus vorhanden waren, und erst nach genetischer Veränderung die Fähigkeit erlangen, sich in Organen anzusiedeln und malignes Wachstum zu initiieren.

      Der axilläre Lymphknotenstatus gilt allgemein als bedeutsamster prognostischer Faktor für Brustkrebs­patientinnen. Um ihn verlässlich zu ermitteln, reicht es nach heutiger Erkenntnis aus, nur wenige so genannte Sentinel-Lymphknoten zu untersuchen. Somit lässt sich eine vollständige axilläre Lymphknotendissektion mit der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie in einer Vielzahl von Fällen vermeiden.

      Zur Untersuchung der Lymphknoten auf Metastasen fertigt der Pathologe dünne Gewebeschnitte an, die nach Anfärben mit Hämatoxylin und Eosin (HE) im Lichtmikroskop durchmustert werden. Allerdings lässt sich mit dieser Technik eine bereits im metastasierten Stadium befindliche Krankheit nicht in jedem Fall erkennen. Schon vor Einführung der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie zu Anfang der 1990er Jahre war bekannt, dass ein nicht unerheblicher Prozentsatz von Mammakarzinompatientinnen, die bei Anwendung obig beschriebenen Verfahrens als nodal-negativ (pN0) eingestuft werden, dennoch in den Lymphknoten bereits verborgen gebliebene Metastasen aufweist. Solche Absiedelungen in den Lymphknoten werden vielfach auch als okkulte Mikrometastasen bezeichnet.

      Erheblich besser als bei der routinemäßigen HE-Methode lassen sich kleine und kleinste metastatische Ablagerungen im Lymphknotenparenchym oder auch im Knochenmark erkennen, wenn Serienschnitte mikroskopiert werden und/oder eine immunhistochemische Markierung erfolgt. Für eine solche Markierung werden in erster Linie mit einem farbigen Marker komplexierte Antikörper verwendet, die gegen das Zytokeratin in den Tumorzellen gerichtet sind. Insbesondere bei der Kombination von Serienschnitten mit immunhistochemischer Markierung lassen sich selbst kleinste Zellhaufen und sogar isolierte Tumorzellen identifizieren.

      Bezogen auf die Größe von Metastasen wurde vom American Joint Committee on Cancer (AJCC) ein revidiertes Staging-System eingeführt. Nach dieser Definition werden Makrometastasen (>2,0 mm), Mikrometastasen (>0,2 bis 2,0 mm) und isolierte Tumorzellen (0,2 mm) unterschieden. Hiernach wurden gemäß AJCC pN1mi beim Nachweis von Mikrometastasen und pN0(i+) beim Nachweis isolierter Tumorzellen in Lymphknoten als pathologische Kategorien neu eingeführt. Dementsprechend ist pN0(i-) der Lymphknotenstatus frei von jeglicher metastatischer Läsion, wodurch anders als bei der Bezeichnung pN0 deutlich gemacht wird, dass nach Mikrometastasen und isolierten Tumorzellen gefahndet wurde. Nach dem aktuellen Staging-System der AJCC werden Mikrometastasen (N1mi) als nodal positiv und isolierte Tumorzellen [pN0(i+)] als nodal negative Krankheit eingestuft.

      In einer deutschen Arbeit von Ercegovic et al. (2007) hatten von 704 retrospektiv analysierten Patientinnen 64 (9,1%) ausschließlich Mikrometastasen. Bei 48 dieser Frauen wurde eine axilläre Lymphonodektomie durchgeführt, wobei in 12 Fällen positive Nicht-Sentinel-Lymphknoten entdeckt wurden. Dieser hohe Anteil befallener Nicht-Sentinel-Lymphknoten veranlasste die Autoren kritisch zu hinterfragen, ob es ausreichend sei, pN1mi wie pN0 zu behandeln, oder im Rahmen der adjuvanten Therapie nur eine Radiatio der Lymphabflusswege durchzuführen [18].

    Welche klinische Bedeutung haben Mikrometastasen und isolierte Tumorzellen?
      Seit die Suche auch nach Mikrometastasen und isolierten Tumorzellen in Sentinel-Lymphknoten an immer mehr Einrichtungen standardmäßig durchgeführt wird, stellt sich umso dringlicher die Frage nach den klinischen Konsequenzen, die ein positives Ergebnis nach sich ziehen sollte. Hierzu gibt es inzwischen eine Vielzahl von Studienergebnissen und Meinungen aber keine allgemein akzeptierten Richtlinien.

      Mehrere Jahre zurückliegende Studien zur prognostischen Bedeutung von Mikrometastasen und/oder isolierten Tumorzellen in Lymphknoten beziehen sich überwiegend auf Patientinnen, bei denen Gewebeproben nach vollständiger axillärer Lymphknotendissektion untersucht worden sind.

      Hervorzuheben von diesen Studien ist eine grundlegende Untersuchung von Cote et al. (1999): Bei 736 ursprünglich als nodal negativ befundeten Brustkrebs­patientinnen wurden nach eingehender pathologischer Reanalyse anhand von HE-gefärbten Serienschnitten 52 Fälle (7%) und bei zusätzlicher immunhistochemischer Keratinmarkierung sogar 148 Fälle nachträglich als positiv für okkulte Mikrometastasen erkannt. Der Nachweis okkulter Mikrometastasen war bei dieser Überprüfung mit einem signifikant kürzeren krankheitsfreien Überleben und kürzeren Gesamt-überleben verbunden. Hierbei spielte es keine Rolle, mit welcher Methode die okkulten Mikrometastasen letztendlich entdeckt worden waren. Der Überlebensnachteil beim Nachweis okkulter Mikrometastasen betraf interessanterweise nicht die prämenopausalen Patientinnen [19].

      Dass auch isolierte Tumorzellen, die in Achsellymphknoten vorgefunden werden, Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf und das Krankheitsergebnis haben können, berichteten Querzoli et al. (2006). Bei einer Neubegutachtung des histopathologischen Materials von 377 Brustkrebspatientinnen, die nach vollständiger axillärer Lymphknotendissektion als pN0 eingestuft worden waren, ließen sich in 13% der Fälle Zytokeratin-positive Einlagerungen <0,2 mm nachweisen. Solche pN0(i+)-Tumoren hatten eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit metastasiert zu rezidivieren als
       

      Die klinische Relevanz von Mikrometastasen in Lymphknoten scheint sich in jüngsten Studien zu bestätigen, wohingegen die Bedeutung von isolierten Tumorzellen weiterhin völlig ungeklärt ist.

      die pN0(i-)-Tumoren (Hazard Ratio 2,51; p = 0,00019). Interessanterweise bestand zwischen Patientinnen mit einem pN1mi-Tumor und jenen mit einem pN0(i+)-Tumor kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Überlebens [20].

      Eine italienische Studie von Colleoni et al. (2005) stützt sich auf Daten von 1.959 Brustkrebspatientinnen, bei denen entweder nur eine Sentinel-Lymphknoten-Biopsie oder auch eine axilläre Lymphknotendissektion vorgenommen worden ist. Im Vergleich zu Patientinnen, bei denen keinerlei Metastasen nachgewiesen worden waren, hatten Patientinnen mit Mikrometastasen oder isolierten Tumorzellen eine deutlich schlechtere Prognose [21].

      Kahn et al. (2006) registrierten bei der Analyse eines Kollektivs von 224 Brustkrebs­Patientinnen, die zu 95% keine adjuvante systemische Therapie erhalten hatten, keine negativen Auswirkungen von okkulten Metastasen in den axillären Lymphknoten auf das krankheitsspezifische Überleben [22].

      Cox et al. (2008) fanden bei einer Nachbegutachtung der Objektträger von 2 381 Brustkrebspatientinnen in 151 Fällen Mikrometastasen (pN1mi) und in 122 Fällen isolierte Tumorzellen pN0(i+) in den Sentinel-Lymphknoten. Bei Patientinnen mit einer kompletten axillären Lymphknotendissektion wurden in 15 von 97 Fällen bzw. in 10 von 107 Fällen auch positive Nicht-Sentinel-Lymphknoten entdeckt. Patientinnen mit Mikrometastasen in den Sentinel-Lymphknoten schnitten sowohl hinsichtlich des Gesamt- als auch hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens erheblich schlechter ab als Patientinnen mit pN0(i-)-Lymphknoten. Hingegen hatten Patientinnen mit einem pN0(i-)-Befund gegenüber Patientinnen mit einem pN0(i+)-Befund keinen statistisch signifikanten Überlebensvorteil. Bei den pN0(i+)-Patientinnen wirkte es sich jedoch deutlich negativ auf das Überleben aus, wenn keine axilläre Lymphknotendissektion durchgeführt worden war [23].

      In einer Studie mit 174 Brustkrebs-wbr>Patientinnen, bei der Sentinel-Lymphknoten prospektiv mittels Serienschnitten und Immunhistochemie nach Mikrometastasen und isolierten Tumorzellen durchsucht worden waren, fanden Rydén et al. (2007) bei Patientinnen mit isolierten Tumorzellen in den Sentinel-Lymphknoten keine Metastasen in den Nicht-Sentinel-Lymphknoten. Das veranlasste die Autoren zu der Meinung dass sich bei pN0(i+)-Patientinnen eine axilläre Lymphknotendissektion erübrige [24].

      Mit dem umfassendsten Datenmaterial zur Bestimmung des prognostischen Einflusses von pN1mi gegenüber pN0 oder pN1 (Makrometastasen in 3 Lymphknoten) warteten Chen et al. (2007) auf. Bei den insgesamt 209 720 Patientinnen und Patienten (0,6%) waren in den Jahren von 1992 bis 2003 entweder eine axilläre Lymphknotendissektion oder ab 1994 vorwiegend eine Sentinel-Lymphknoten-Biopsie vorgenommen worden. Für Brustkrebs-Patientinnen mit nodalen Mikrometastasen wurde eine Überlebensprognose ermittelt, die zwischen der der Patientinnen mit pN0- und der der Patientinnen mit pN1-Tumoren lag (Hazard Ratio [HR] pN1mi: pN0 1,35 und HR pN1mi:pN1 0,82). Am ungünstigsten wirkte sich das Vorkommen von Mikrometastasen in den Lymphknoten von Patientinnen mit Tumoren im Stadium T2 aus (Abb. 2). Als negativer prognostischer Faktor erwies sich auch männliches Geschlecht [25].


      In einem kürzlich erschienenen Übersichtsartikel von Mittendorf und Hunt (2007) kommen die beiden Autorinnen in ihrem Resumé zu dem Schluss, dass die Frage nach der klinischen Relevanz klein volumiger metastatischer Läsionen in Lymphknoten nach gegenwärtiger Datenlage nicht eindeutig beantwortet werden könne [26]. Diese Auffassung kommt vielfach auch in erst kürzlich erschienenen Publikationen, die bei Mittendorf und Hunt noch keine Berücksichtigung fanden, zum Ausdruck. Es scheint sich zwar abzuzeichnen, dass auch Metastasen, die kleiner als 2 mm groß sind, klinische Relevanz zukommt – nur welche und ab welcher Größe der nodalen Absiedelungen ist noch nicht entschieden.

      Für die Prognose bei Brustkrebs ist nicht nur der Nodalstatus sondern auch der Nachweis von Mikrometastasen im Knochenmark von Bedeutung. In einer von Braun et al. (2005) durchgeführten Metaanalyse von neun Studien mit insgesamt 4.703 Brustkrebspatientinnen wurden Mikrometastasen im Knochenmark signifikant häufiger registriert, wenn auch Metastasen in den Lymphknoten vorgefunden wurden, und der Primärtumor größer, von höherem histologischen Grad und Hormonrezeptor-negativ war. Das krankheitsfreie sowie das Gesamt- und das Brustkrebs-spezifische Überleben waren bei Knochenmark-positiven Patientinnen deutlich verringert (p <0,001) [27]. Die österreichischen und deutschen Autoren glauben, dass die zusätzliche Untersuchung des Knochenmarks in bestimmten Fällen sinnvoll sein könne. Beispielsweise lebten nach fünf Jahren noch 94% der Patientinnen, die keine Chemotherapie erhalten hatten, wenn ihr Tumor <2 cm groß war und sowohl Lymphknoten als auch Knochenmark frei von Mikrometastasen waren. In solchen Fällen kann möglicherweise auf eine Chemotherapie verzichtet werden.

      Ob und mit welchen endokrinen Therapien Mikrometastasen im Knochenmark Erfolg versprechend bekämpft werden können, wird gegenwärtig in einer Studie der Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group, an der sich 28 Zentren in drei europäischen Ländern beteiligen, untersucht.

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März 2008

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