Eine Strahlentherapie nach Brustkrebsoperationen dauert bisher etwa sieben bis
acht Wochen. Man bestrahlt zunächst immer die ganze Brust - etwa 25 bis 28 Mal.
"Diese Fraktionierung, also die Aufteilung der Bestrahlung, ist notwendig,
um dauerhafte Strahlenreaktionen im normalen Gewebe zu minimieren", erläutert
DEGRO-Präsident Professor Dr. med. Jürgen Dunst, Direktor der Klinik für
Strahlentherapie an der Universität Lübeck. Im Anschluss an die fraktionierte
Therapie erhalten die Patientinnen noch einen sogenannten Boost, eine
Dosisergänzung, meistens fünf bis acht zusätzliche Bestrahlungen auf das
Tumorbett. Dabei wird ausschließlich die Stelle bestrahlt, an der sich der
Tumor vor der Operation befand. "Dort ist die Konzentration von Tumorzellen,
die bei der Operation nicht entfernt wurden, erfahrungsgemäß am höchsten",
sagt Prof. Dunst. An manchen Zentren wird dieser Boost bereits während der
Operation als intraoperative Strahlentherapie verabreicht und führt solcherart
ebenfalls bereits zu einer Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit.
Im Allgemeinen sind aber zurzeit nach einer Brustkrebsoperation etwa
30 bis 35 Bestrahlungen üblich.
Inzwischen geht der Trend dahin, die Dauer der Strahlentherapie zu verkürzen.
Denn die häufigen Bestrahlungstermine sind vor allem für Patientinnen mit
langen Anfahrtswegen belastend. Nach Empfehlung der DEGRO und der österreichischen
Fachgesellschaft ÖGRO kommen aktuell zwei Verfahren zur Verkürzung der
Strahlentherapie in Frage, nämlich der simultan-integrierte Boost (SIB)
oder eine Hypofraktionierung. "Beim simultan-integrierten Boost wird die
zusätzliche Bestrahlung des Operationsgebietes, die bisher erst nach der
Strahlentherapie der ganzen Brust erfolgte, bereits auf die einzelnen
Termine bei der Strahlenbehandlung der ganzen Brust verteilt", erläutert
Prof. Dr. med. Rolf Sauer, Vorsitzender der DEGRO-Organgruppe Mammakarzinom
aus Erlangen. Voraussetzung für die SIB-Technik sind moderne Bestrahlungs-
und Planungstechniken, die mittlerweile aber in Deutschland flächendeckend
zur Verfügung stehen. Ein zweites Verfahren ist die sogenannte Hypofraktionierung:
Dabei erfolgt die Bestrahlung der Brust jeweils mit einer etwas höheren
Dosis pro Tag, und der Boost wird, wie bisher, danach bestrahlt. Die
hypofraktionierte Bestrahlung ist aus Sicht der DEGRO eine Alternative
vor allem für ältere Patientinnen mit einer günstigen Prognose. Je nach
Verfahren, SIB bzw. Hypofraktionierung, verkürzt sich die Behandlungszeit
auf etwa vier bis fünfeinhalb Wochen.
Technisch möglich ist auch eine Kombination aus SIB und Hypofraktionierung.
Dadurch könnte die Behandlungszeit noch weiter verkürzt werden, nämlich auf
etwa drei Wochen. Erste Ergebnisse aus klinischen Studien, auch aus Deutschland,
zeigen, dass diese Therapie gut vertragen wird. Noch ist aber nicht
abschließend geklärt, ob es bei dieser Kombination nicht doch langfristig
zu stärkeren Strahlenspätreaktionen kommen kann. "Wenn die einzelne
Strahlendosis zu hoch wird, kann es Vernarbungen geben, die den Patientinnen
Schmerzen bereiten und mit einem schlechten kosmetischen Ergebnis einhergehen",
warnt Prof. Dr. med. Felix Sedlmayer, Präsident der ÖGRO und ebenfalls
Experte für Brustkrebs. Auch sichtbare Erweiterungen von Blutgefäßen können
die Kosmetik nach der Bestrahlung empfindlich stören. Extrem starke
Verkürzungen der Behandlungszeit waren mit stärkeren Nebenwirkungen verbunden.
"Es ist deshalb ratsam, sehr stark verkürzte Behandlungsregime zunächst
in klinischen Studien weiter zu erproben", raten die Experten. Eine Verkürzung
der Therapiezeit um etwa zwei Wochen von bisher sieben auf fünf Wochen kann
nach Einschätzung der DEGRO-Experten aber bereits jetzt empfohlen werden.
Voraussetzung ist aber die langfristige, engmaschige Nachsorge durch den
Strahlentherapeuten.
Die Strahlentherapie ist eine lokale, nicht-invasive, hochpräzise
Behandlungsmethode mit hohen Sicherheitsstandards und regelmäßigen
Qualitätskontrollen. Bildgebende Verfahren wie die Computer- oder
Magnetresonanztomografie ermöglichen eine exakte Ortung des Krankheitsherdes,
sodass die Radioonkologen die Strahlen dann zielgenau auf das zu bestrahlende
Gewebe lenken können. Umliegendes Gewebe bleibt weitestgehend verschont.
Literaturhinweise:
Sedlmayer F, Sautter Bihl ML, Budach W, et al. 2013. Is the simultaneously
integrated boost (SIB) technique for early breast cancer ready to be
adopted for routine adjuvant radiotherapy?: Statement of the German
and the Austrian Societies of Radiooncology (DEGRO/ÖGRO). Strahlenther Onkol 189:193-196.
Bantema-Joppe EJ, Schilstra C, de Bock GH, et al. 2012. Simultaneous
integrated boost irradiation after breast-conserving surgery: physician-rated
toxicity and cosmetic outcome at 30 months' follow-up. Int J Radiat Oncol Biol Phys 83:e471-7.
Hurkmans CW, Dijckmans I, Reijnen M, et al. 2012. Adaptive radiation
therapy for breast IMRT-simultaneously integrated boost: three-year clinical
experience. Radiother Oncol 103:183-7
Quelle: DEGRO
Mai 2012 |